SüNDENBOCK MICHAELIS – ZUG GEFANGEN IN DER «NOSTALGIE-FALLE»

Zugs Sportchef Reto Kläy hat den Sündenbock für die enttäuschende Saison gefunden: Marc Michaelis. Er hat den Vertrag mit dem deutschen Nationalstürmer aufgelöst und ihn nach Mannheim ziehen lassen. Jan Kovar darf bleiben und die bange Frage ist: Wird er Zugs teuerster Problemspieler der Geschichte?

Beginnen wir mit etwas Statistik aus der vergangenen Saison. Mit einem Vergleich zwischen Jan Kovar (34) und Marc Michaelis (28).

Qualifikation:

  • Jan Kovar: 47 Spiele, 9 Tore, 19 Assists, 28 Punkte, 40 Strafminuten, Plus-7-Bilanz, 18:13 Minuten Eiszeit pro Spiel
  • Marc Michaelis: 50 Spiele, 13 Tore, 24 Assists, 37 Punkte, 14 Strafminuten, Plus-13-Bilanz, 17:18 Minuten Eiszeit pro Spiel

Playoffs:

  • Jan Kovar: 10 Spiele, 1 Tor, 5 Assists, 6 Punkte, Minus-3-Bilanz, 8 Strafminuten, 18:54 Minuten Eiszeit pro Spiel
  • Marc Michaelis: 11 Spiele, 2 Tore, 4 Assists, 6 Punkte, Minus-1-Bilanz, keine Strafe, 16:46 Minuten Eiszeit pro Spiel

Frage nun: Wer hat mehr Zukunft vor sich: Der 28-jähirge Marc Michaelis oder der 34-jährige Jan Kovar? Der Laie sagt: natürlich Marc Michaelis. Der Fachmann ist hingegen anderer Meinung: Reto Kläy hat sich für Jan Kovar und gegen Marc Michaelis entschieden. Beide haben bzw. hatten noch einen Vertrag bis zum Ende der nächsten Saison. Reto Kläy ist der Architekt der Meisterteams von 2021 und 2022. Er kann Sportchef.

Warum dieser ein wenig verwunderliche Entscheid? Ganz einfach: Reto Kläy muss das Gesicht der Mannschaft nach zwei titellosen Jahren verändern und den Fans einen Sündenbock präsentieren. Das geht am einfachsten auf den Ausländerpositionen. Dort gilt es nun Platz (und Budget) zu schaffen für einen treffsicheren, produktiven Stürmer. So in der Art des Amerikaners Reid Boucher (30), zurzeit noch in Russland (KHL) unter Vertrag.

Bei der Operation «Neue Hoffnung» ist Zugs Sportchef in die Nostalgie-Falle getappt. Spieler werden in der Regel nach ihrer Vergangenheit, ihren bisherigen Leistungen eingeschätzt und gelöhnt. Nur selten nach ihrem Zukunftspotenzial.

Jan Kovar ist der Captain, der Leitwolf und der Playoff-MVP der Meisterteams von 2021 und 2022. Diese Verdienste zählen mehr als die Zukunft. Nichts ist im Teamsport so schwer, wie die Trennung von verdienstvollen Veteranen. Deshalb ist die Erneuerung eines erfolgreichen Teams so schwierig. Wir erinnern uns noch, wie mühselig der Abschied von Mathias Seger für die ZSC Lions war. Und wir freuen uns schon auf das Werweisen des neuen SCB-Obersportchefs Martin Plüss, ob er den Vertrag mit Kult-Captain Simon Moser (35) verlängern soll. Und wenn ja für welches Salär und um wie viele Jahre. Simon Moser ist sein Kumpel, zusammen stürmten sie 2013 in den WM-Final. So etwas verbindet.

Die Nostalgie ist sehr oft stärker als der kühle Verstand. Mag sein, dass Jan Kovar in der Qualifikation und in den Playoffs die Punkteproduktion der beiden Meistersaisons 2020/21 und 2021/22 bei weitem nicht mehr erreicht hat. Und ja, er ist im März 34 geworden und hat die Zukunft hinter sich.

Aber er spielte 2021 und 2022 im Meisterteam eine zentrale Rolle. So einem Spieler löst man nicht einfach den Vertrag auf! Das wäre undankbar, ja schäbig! Wenn er gehen müsste, gäbe es einige Aufregung.

Marc Michaelis ist erst in der soeben beendeten Saison von Langnau nach Zug gekommen. Ihm fehlt die Magie der Nostalgie. Mit seinem Namen verbinden sich keine magischen Momente. Nur eine enttäuschende Qualifikation und enttäuschende Playoffs. Wenn er gehen muss, gibt es keine Aufregung. Marc Michaelis geht nach Mannheim. Na und?

Kommt dazu: Es war einfach, für Marc Michaelis in Deutschland einen Arbeitgeber zu finden, der ungefähr gleich viel bezahlt wie Zug. Er ist zudem in Mannheim ausgebildet worden und kehrt nun nach zehn Jahren in den USA, in Kanada, im Emmental und in Zug heim zu seinem Stammclub. Da ist sogar etwas Romantik dabei. Beim Zahltag und auch sonst. Hingegen ist es fast unmöglich, einen Klub zu finden, der das letzte Vertragsjahr von Jan Kovar übernimmt. Am Ende des Tages haben nicht sportliche, sondern finanzielle Erwägungen den Ausschlag für Kovar und gegen Michaelis gegeben. Geld und Geist. Aber den Klassiker kennt Reto Kläy ja: Er entstammt einer hablichen Langnauer Holzbau- und Architekten-Dynastie.

Reto Kläy kennt die ganze Problematik sehr wohl und hat schon einmal einen verdienten Veteranen ziehen lassen: Nach dem Meistertitel war er 2021 nicht mehr bereit, dem damals 35-jährigen Raphael Diaz den Vertrag nach dessen Wünschen zu verlängern. Der Captain ging und verteidigt seither für Gottéron. Zug ist anschliessend die Titelverteidigung gelungen. Da war die Situation allerdings einfacher: Erstens lief der Vertrag aus und zweitens brauchte der Sportchef keinen Sündenbock.

Jan Kovar bleibt und als Sündenbock muss Marc Michaelis gehen. Einer der pflegeleichtesten Ausländer der gesamten Liga. Der Entscheid ist nur dann richtig, wenn Jan Kovar im Sommer seinen Dienst für die neue Saison frisch gebürstet und gekämmt und topfit antreten wird. Wenn nicht, wird er der teuerste Problemspieler in Zugs Geschichte (seit 1967).

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