DARF MAN SICH IM SPITZENSPORT SO DIREKT äUSSERN?

Nach dem verlorenen Cupfinal richtet die Trainerin der YB-Frauen, Imke Wübbenhorst, scharfe Worte an Gegnerinnen und Unparteiische. Mittlerweile hat sie sich entschuldigt.

Ja! Emotionale Interviews sind erfrischend und in der Sportwelt viel zu selten geworden.

Einfach das sagen, was man denkt und fühlt. Authentisch sein und dabei keine Rücksicht nehmen auf Konventionen und Erwartungshaltungen. Das ist erfrischend. Genauso wie Imke Wübbenhorsts Interview nach dem 2:3 ihrer Mannschaft im Cupfinal erfrischend war.

Kurz zum Hintergrund: Die Frauen des BSC Young Boys standen am letzten Samstag zum ersten Mal seit 2019 im Final des Schweizer Cups. Dort verloren sie gegen Servette, was – gepaart mit der umstrittenen Leistung der Unparteiischen und dem Spielverlauf – YB-Trainerin Wübbenhorst zu einem Interview veranlasste, wie man es heutzutage selten sieht.

Wübbenhorst wählte Worte wie: «Man verliert ungerne. Man verliert noch mehr ungerne ein Finale. Und noch ungerner gegen so eine widerlich spielende Truppe, die einfach zusammengekauft ist.» In Bezug auf die Schiedsrichterin und eine umstrittene Szene sagte sie: «Ich kenne das Regelwerk, die gute Frau leider nicht – könnte sie sich ja noch mal durchlesen die Zeile.»

Wie oft sitzt man als Fussballfan vor dem Fernseher und denkt sich genau das: Was für eine widerlich spielende, zusammengekaufte Truppe! Jetzt spricht das mal jemand im Affekt im Fernsehen aus, und es soll gleich ein Skandal sein? Nein. Man darf sich direkt nach einem hitzigen Spiel so äussern, denn das ist einfach ehrlich.

Imke Wübbenhorst weiss selbst, dass sie in einer Vorbildfunktion steht und sich dementsprechend überlegt ausdrücken sollte, hat sie sich doch im Nachgang bei Gegnerinnen, Schiedsrichterinnen und dem eigenen Club entschuldigt. Alle diese Parteien wussten aber auch schon zuvor, dass die Aussagen in einem hochemotionalen Zustand getroffen wurden und daher nicht wörtlich verstanden werden sollten. 

Ohnehin sind solche Interviews im Profisport viel zu selten geworden. Heute weiss man meist schon, bevor die Sportlerin oder der Sportler zu reden beginnt, was kommt. Eine trockene Spielanalyse, zahlreiche Floskeln, und auf kritische Fragen wird ausgewichen oder es folgt ein «kein Kommentar». Das ist langweilig. Toll wäre es, wenn die interviewte Person wieder mehr das sagen könnte, was sie wirklich denkt, ohne dass sie dafür tagelang kritisiert wird.

Wichtig ist dabei aber eines: Nie dürfen die Äusserungen diskriminierender Natur sein. Sobald eine Minderheit aufgrund von entsprechenden Merkmalen diskreditiert wird, überschreitet man eine Linie. Imke Wübbenhorst hat das nicht getan. Und daher darf sie dieses Interview genau so geben. Linus Schauffert

Nein! Einmal mehr werden genau die falschen Botschaften vermittelt.

Es geht ja meist nicht lange, bis es irgendwann auftaucht, dieses Wort, mit dem beschrieben wird, was nicht so recht ins Schema passen will und gerade deshalb für Aufmerksamkeit sorgt: «Kultig» sei es, das Interview der YB-Trainerin Imke Wübbenhorst. Das war in den vergangenen Tagen oft zu hören. Doch die Grenze zwischen kultig und peinlich ist fliessend. Und Wübbenhorst hat diese Grenze mit ihren Aussagen deutlich überschritten.

Wer das Interview nun als rebellisch und entwaffnend ehrlich feiert, verkennt, was derartige Aussagen anrichten. Als Trainerin der Young Boys ist Wübbenhorst Vorbild für unzählige junge Menschen. Diese hören sich sehr genau an, was ihr Idol in die Mikrofone sagt. Wer eine solche Plattform nun nutzt, um den Gegner als «widerlich spielende Truppe» zu bezeichnen und die Schiedsrichterin zu kritisieren, erweist dem Sport einen Bärendienst. Einmal mehr werden genau die falschen Botschaften vermittelt. Schliesslich ist es kein Zufall, dass dem Amateurfussball vielerorts die Schiedsrichter fehlen und sich Juniorentrainer über fehlenden Respekt zwischen den Teams beklagen.

Zudem sorgt Wübbenhorst mit ihren Aussagen dafür, dass der Fokus einmal mehr auf Nebensächlichkeiten statt auf dem Sport liegt. Das mag beim Männerfussball nicht ins Gewicht fallen, für den Fussball der Frauen aber, der seit Jahren um Aufmerksamkeit kämpft, ist dies fatal. Während die «kultigen» Sprüche eines Christian Streich nach einem Bundesliga-Match des SC Freiburg vor Zehntausenden Zuschauern eine nette Zugabe darstellen, verdrängen Wübbenhorsts Worte den Cupfinal der Frauen komplett aus dem Scheinwerferlicht. Sie schaden dem Image des Frauenfussballs und lassen ihn unprofessionell wirken.

Als Angestellte eines Fussballvereins kann Wübbenhorst auch die Emotionen nicht als Entschuldigung anführen, die nach einem derart aufwühlenden Spiel eben hochkochen. Sie hat sich bewusst für diesen Job entschieden – und dazu gehört auch eine professionelle Kommunikation. Das sehen offenbar auch Wübbenhorst und ihr Arbeitgeber YB so, weshalb die YB-Trainerin sich am Montag mittels Videobotschaft für ihre Aussagen entschuldigt hat.

Und wer sich für diesen Job entscheidet, muss sich auch der möglicherweise unbefriedigenden Seiten des Fussballgeschäfts bewusst sein. Etwa jener, dass Geld nun mal eine grosse Rolle spielt und ab und zu eben doch Tore schiesst. Sich öffentlich darüber zu beklagen, dass sich der Gegner bessere Spielerinnen «zusammenkaufen» konnte, ist nicht kultig, sondern einfach nur peinlich. Fabian Löw

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