DER SCHWEIZER MARATHONLäUFER ADRIAN LEHMANN STIRBT NACH EINEM HERZINFARKT – SOLCHE EREIGNISSE SIND ZUM GLüCK BEI SPORTLERN SELTEN

Adrian Lehmann wollte diesen Sommer endlich an den Olympischen Spielen über die Marathondistanz von 42,195 km teilnehmen. Es war sein dritter Anlauf auf Sommerspiele, sowohl 2016 als auch 2021 war er mit seinem Vorhaben unglücklich gescheitert. Für die Erfüllung seines Traumes hätte er am Sonntagmorgen am Zürich-Marathon die Limite von 2:08:10 unterbieten müssen. Das sei sein nächstes grosses Ziel, schrieb er auf seiner Homepage.

Der Zürich-Marathon schien ihm der richtige Anlass zu sein, um die Limite für die Spiele in Paris zu schaffen. Denn im letzten Jahr war er in Zürich Schweizer Meister über die Marathondistanz geworden, und zwar mit einer persönlichen Bestzeit von 2:11:44 Stunden.

Doch nur wenige Stunden nach dem Ende des Zürich-Marathons am Sonntag kommunizierte der Schweizer Leichtathletikverband, dass Adrian Lehmann nach einem Herzinfarkt gestorben sei. Lehmann wurde 34 Jahre alt. Er sei bereits am Samstagabend verstorben, schrieb Swiss Athletics in einer Mitteilung. In den sozialen Netzwerken herrschte danach grosse Bestürzung.

Schwerwiegendere Folgen als zunächst angenommen

Lehmann hatte am vergangenen Donnerstag in der Vorbereitung auf den Zürich-Marathon einen Herzinfarkt erlitten. Zunächst wurde bekannt, dass er in stabilem Zustand in ein Spital eingeliefert worden war, wo er zur ärztlichen Überwachung bleibe. Die Folgen des Herzinfarktes hätten sich als schwerwiegender als zunächst angenommen herausgestellt, schrieb der Leichtathletikverband am Sonntag.

Wieso erleidet ein Spitzen-Ausdauersportler nach Jahren intensiven Trainings und vielen Wettkämpfen plötzlich einen Herzinfarkt?

Patrik Noack ist Chefarzt von Swiss Athletics und bis 2022 Chefarzt von Swiss Olympic und kann auf ein Vierteljahrhundert Erfahrung im Spitzensport zurückblicken. Auf Wunsch der Familie von Adrian Lehmann möchte er zum spezifischen Fall nichts sagen. Er weist aber auf die konkreten Massnahmen hin, die bei Kaderathleten im Ausdauerbereich getroffen werden. Die meisten Verbände, so auch Swiss Athletics, lassen bei ihren Athletinnen und Athleten alle zwei Jahre ein Ruhe-Elektrokardiogramm (EKG) erstellen. Sind hier oder bei den jährlichen Blutentnahmen und sportmedizinischen Untersuchungen Auffälligkeiten zu erkennen, werden weitere Abklärungen durchgeführt.

Bei Fussballern und in einigen anderen Sportarten werden gar Belastungs-EKG und Herzultraschall durchgeführt. «Ob diese Methoden mehr Fälle von Herzerkrankungen ans Licht bringen, ist allerdings nicht klar», sagt Noack, daher wende man sie bei den meisten Verbänden nicht an.

Generell würden nur bei sehr wenigen Leistungssportlern Herzprobleme diagnostiziert. Noack hat in seiner langen Zeit als Sportarzt einem einzigen Athleten unter 18 Jahren vom Sporttreiben abgeraten, bei älteren Sportlern kann er sich nur an drei Fälle erinnern. Und höchstens bei einem von hundert untersuchten Sportlerinnen und Sportlern müsse man eine Ultraschalluntersuchung des Herzens anordnen.

Lehmann gehörte zu den besten Marathonläufern des Landes

Noack spricht bei Adrian Lehmann von einem «brutal tragischen Ereignis». Er kann sich nicht erinnern, im Hochleistungs-Ausdauersport schon von einem Todesfall gehört zu haben. Er sagt: «Auf hunderttausend bis eine Million Stunden Sporttreiben ist statistisch gesehen nur ein plötzlicher Herztod zu verzeichnen.» Der möglichen Ursachen gäbe es viele, etwa einen Infekt, Gefässkrankheiten oder genetische Dispositionen. Alles lasse sich aber nicht vorab erkennen.

Der mit 34 Jahren verstorbene Adrian Lehmann gehörte zu den stärksten Marathonläufern des Landes, nur fünf Schweizer Männer liefen die 42,195 km in der Geschichte schneller als Lehmann. Der im Oberengadin wohnhafte Läufer gehörte schon lange zum Nationalkader und gewann nationale Meistertitel über sämtliche Langdistanzen: 10 km, Halbmarathon und Marathon. Zu seinen grössten Erfolgen zählte der 3. Rang mit dem Schweizer Team im Marathon an den Europameisterschaften 2014 in Zürich. Zwei Jahre danach reichte es ihm mit der EM-Mannschaft im Halbmarathon gar zum Sieg.

Danach steigerte Lehmann die Trainingsumfänge. Die gesteigerte Belastung hatte mehrere Stressfaktoren zur Folge, so dass er erst 2019 wieder auf einem guten Niveau zurück war, nach einer Anpassung der Umfänge und Intensitäten im Training. Zuletzt trainierte Lehmann als Vollprofi, begleitete Sportreisen und coachte Ausdauerathleten.

International grosse Schlagzeilen im Zusammenhang mit Herzproblemen bei Spitzensportlern verursachte jüngst der Zusammenbruch des Profi-Fussballers Christian Eriksen anlässlich der Fussball-Europameisterschaft 2021. Der Däne brach damals im Spiel gegen Finnland ohne erkennbaren Grund zusammen. Er wurde ins Krankenhaus abtransportiert; wenige Tage später wurde ihm ein Defibrillator implantiert. Eriksens Geschichte mit einem Herzproblem fand ein gutes Ende: 2022 wurde er wieder für Freundschaftsspiele aufgeboten und nahm mit Dänemark auch an der Weltmeisterschaft in Katar teil. Er steht derzeit bei Manchester United unter Vertrag.

2024-04-21T15:57:50Z dg43tfdfdgfd