Irgendwann sagt Fabian Frei: «Es ist gut, wie es ist.»
Dieser Satz ist typisch für einen Menschen, der über sich sagt: «Ich brauche nicht viel, um zufrieden zu sein. Wenn es meiner Frau, unseren drei Kindern, der Familie und den Freunden gutgeht, bin ich glücklich.»
Der Verwandtschaft geht es gerade sehr gut. Frei ist wieder zu Hause – beim FC Winterthur. Das klingt sehr schief beim Fussballer Fabian Frei. Zwischen 10 und 15 spielte er in Winterthur, im Sommer 2004 wechselte er in den FCB-Nachwuchs, lebte in Basel im Wohnheim, kochte und wusch selbst.
In Basel ist Fabian Frei zur Legende geworden und zum FCB-Rekordspieler mit 543 Begegnungen – obwohl er zwischendurch zwei Jahre an den FC St. Gallen ausgeliehen und zweieinhalb Saisons in der Bundesliga bei Mainz engagiert war.
Frei hätte 2015 auch zum damals grösseren HSV nach Hamburg gehen können, in die Herzensstadt seiner Frau. Aber das hätte irgendwie nicht zu ihm gepasst. Und vor einigen Jahren liebäugelte er mit einem Transfer zur PSV Eindhoven, die dann Mario Götze verpflichtete.
«Es ist gut, wie es ist.»
Im Herbst 2024 sitzt Frei auf der Winterthurer Schützenwiese und sagt: «Viel hat sich hier nicht verändert.» Er erwähnt das Kunstrasenfeld, dort war früher ein roter Sandplatz, den er als Bub im Winter oft vom Schnee befreien musste.
Womöglich ist Fabian Frei so gross und so populär geworden, weil er andere grösser und populärer gemacht hat. Für ihn ist es das schönste Kompliment, wenn ihm Mitspieler sagen, wie sehr er sie mit seiner Spielintelligenz, Strategie und Stilsicherheit glänzen lasse.
Frei ist kein Lautsprecher wie Granit Xhaka, er benötigt Nähe, Geborgenheit, Ruhe. Er sagt von sich, dass vielleicht noch eine grössere Karriere möglich gewesen wäre mit ein bisschen mehr Selbstdisziplin. Ab und zu habe er einen Tritt in den Hintern benötigt. Und eine Tafel Schoggi oder ein Bierli habe hin und wieder halt drinliegen müssen. «Ich hätte mit spezifischem Sprinttraining vielleicht schneller werden können», sagt Frei. «Aber dann wäre ich vielleicht öfter mit Muskelproblemen ausgefallen.»
Der 35-Jährige ist nicht nur ein Sinnbild für Treue, sondern auch eines für Zuverlässigkeit, verletzt war er selten, gesperrt kaum einmal. «Ich habe schon Sorge zum Körper getragen», sagt er, es klingt beinahe entschuldigend, nachdem er das mit der Schoggi und dem Bierli erwähnt hat.
Wäre alles normal gelaufen, sässe Fabian Frei an diesem Herbstmittag nicht auf der Schützenwiese. Aber was ist schon normal bei diesem FC Basel? Frei sagt mehrmals, er wolle nicht schlecht über den FCB reden. Doch aus Gesprächen mit Insidern ergibt sich das Bild einer kühlen, empathielosen Vereinsführung.
Freis Vertrag im FCB verlängerte sich in der vergangenen Saison automatisch. In der Vorbereitung wurde er vom Trainer Fabio Celestini als Captain und Leaderfigur gelobt, im Startspiel in Lausanne stand er in der Startformation. Nach dem 2:3 kam es zur Unterredung zwischen Frei, dem Präsidenten David Degen und dem Sportchef Daniel Stucki. Frei wurde erklärt, dass der Klub nicht mehr auf ihn setze. Er wurde unter Druck gesetzt, einer Vertragsauflösung zuzustimmen.
Frei selbst würde das niemals öffentlich bestätigen, dafür ist er zu anständig. Kurz vor dem Ende der Transferperiode kam es vor ein paar Wochen zum Transfer nach Winterthur. Letzte Ausfahrt Heimat.
«Es ist gut, wie es ist.»
Die FCB-Verantwortlichen hatten mit Michael Lang bereits einen anderen langjährigen Spieler ausgebootet. Und bei Taulant Xhaka nur wegen dessen deutlich besser dotierten und erheblich längeren Vertrags nicht längst eine Trennung forciert – auch aus Furcht vor dem grossen kleinen Bruder Granit Xhaka, der die Arbeit David Degens nicht nur in den sozialen Netzwerken gerne mit scharfen Voten kommentiert.
Am letzten Samstag erhielt Frei immerhin eine angemessene Verabschiedung. Zufälligerweise hatte der FCB ein Heimspiel gegen den FCZ, ausverkaufter St.-Jakob-Park, Auftritt auf dem Rasen vor dem Spiel, ein paar Worte ans Publikum, Tränen in den Augen.
Es ist nicht mehr das Problem von Frei, ob es beim FC Basel gut ist, wie es ist, mit dieser Rastlosigkeit, ständiger Unruhe und dem PR-Transfer von Xherdan Shaqiri. Frei hätte am Ende wohl lieber aufgehört, als sich den unwürdigen Umgang im FCB weiter anzutun. Er würde das natürlich niemals so radikal formulieren. Er sagt: «Es war sicher kein Bilderbuchabschied.»
Aber es ist gut, wie es ist. «Ich bin schnell angekommen im FC Winterthur. Es ist alles sehr familiär hier, das entspricht mir», sagt Frei nach den ersten Auftritten. Kürzlich, beim Cup-Spiel in Wil, habe es kein Leibchen in Grösse L gehabt. «Beim FCB hätte ich getobt, wenn das passiert wäre», sagt Frei. «Hier feiere ich das.» Er nahm ein M, das Shirt habe nicht gespannt.
Der Saisonstart missriet dem FC Winterthur, doch Frei sagt: «Letzter war ich auch vor einem Jahr mit dem FCB.» Er hat wieder seinen Seelenfrieden, spart pro Tag drei Stunden Autofahrt, hat viel mehr Zeit für seine Frau, Familie und Freunde.
Frei wirkt mit sich im Reinen – und mit seiner Geschichte beim FC Basel ohnehin: fünfmal Meister, dreimal Cup-Sieger, Tor des Jahres 2009, dreimal Champions-League-Achtelfinal, Europa-League-Halbfinal, 2023 nochmals Conference-League-Halbfinal. 223 Mitspieler, 13 Trainer, 66 Tore, darunter viele sehr wichtige, das wertvollste und prägendste vor zehn Jahren beim 1:1 an der Anfield Road, als der FC Basel das grosse Liverpool in der Champions League ausschaltete.
Frei ist auch ein Trainerspieler. Der Nationalcoach Murat Yakin sagt, er habe Frei vor drei Jahren zurückgeholt, weil dieser der einzige Schweizer Spieler sei, der den damals fehlenden Granit Xhaka ersetzen könne. Und so gelang Frei sogar noch die unerwartete und späte Versöhnung mit dem Nationalteam. Die letzten vier Länderspielminuten absolvierte er an der WM 2022 gegen den Rekordweltmeister Brasilien. Zurückgetreten ist Frei nach 24 Länderspielen aber nicht, so wichtig nähme er sich nie.
Längst ist der Sohn des Trainers Markus Frei daran, seinen eigenen Weg als Fussballlehrer zu gehen. Er trainiert mit zwei Kollegen die C-Junioren des FC Frauenfeld. Noch aber ist er Profifussballer, beim FC Winterthur hat er für eine Saison plus Option auf ein weiteres Jahr unterschrieben.
Rekorde kann er auch in Winterthur brechen. Am meisten Begegnungen in der obersten Liga in der Geschichte des Schweizer Fussballs haben Philippe Perret und Karl Grob gemacht, die Legenden bei Xamax und beim FCZ. Zu deren Bestmarke von 511 Spielen fehlen Frei noch 60 Begegnungen. Das wäre bis 2026 zu schaffen.
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