EIN PLAYOFF-MONSTER WIRFT DEN ZSC AUS DER BAHN

Lausanne hat sein Spiel gefunden und den Zürchern einen ersten Sieg abgerungen. Zu verdanken hat es das vor allem Michael Raffl. Der Final steht am Scheideweg.

Wird man irgendwann nach dem Final auf diese zehnte Minute des zweiten Spiels zurückblicken und vom Wendepunkt sprechen? Das Potenzial dafür ist vorhanden. Nicht bloss, weil Lausanne zum 1:1 ausglich und die Grundlage zum 4:2-Sieg legte. Sondern, weil Michael Raffl Sekunden zuvor grundsätzlich das Spiel veränderte. Der Stürmer sorgte mit einem harten Check gegen den Zürcher Verteidiger Lehtonen für die Puckeroberung, einen Moment später traf er ins Tor. Danach war alles anders.

35-jährig ist er bereits, der Österreicher aus Villach. Anmerken lässt er sich das nicht. Als er nach dem Sieg vom Wahnsinn in Lausanne schwärmt, den der Finaleinzug ausgelöst hat, und von der Chance auf den Titel, die man nicht mehr so oft erhalte, wenn man schon alt sei, korrigiert er sich sofort mit einem Schmunzeln: «Nicht alt, aber ein bisschen älter.»

Wer ist ein Playoff-Spieler? Und wer nicht?

Es gibt ungeschriebene Gesetze, wer «Playoff-Spieler» genannt werden sollte und wer nicht. Das Alter gehört nicht dazu. Der Wille zum ständigen Backchecking nach Puckverlusten aber schon. Genauso wie das Aufstehen nach Fehlern und die Steigerung. Raffl ist ein Playoff-Spieler, ein Kämpfer. Seine Linie mit Center Ken Jäger und dem rechten Flügel Tim Bozon ist eine Playoff-Linie. Spiel 2 am Donnerstag ist diesbezüglich wie eine Dokumentation.

Das Trio beginnt fahrig und soft: ein schlechter Pass Jägers, den Malgin abfängt. Dann bloss ein zaghaftes Nachsetzen, da ist keiner, der richtig stört, am Ende hat Sven Andrighetto viel Platz, um den ZSC nach nur drei Minuten in Führung zu schiessen. Es ist ein klassischer Fehlstart für Raffl und Co.

Doch dann folgt die Reaktion, und alle Elemente sind da: die Checks, die Härte, die Zweikämpfe, die Tore. Raffl trifft kurz vor Schluss auch noch im Powerplay zum Schlussstand, es ist ein Ablenker im Slot, wo sich vor allem Spieler wie er wohlfühlen. Davor erzielt Bozon das 2:1, auch hier beginnt alles mit aggressivem Backchecking Lausannes.

Die Wende aber symbolisiert Raffl. Seine ganze Karriere war ein Kampf: Er ist der Spieler, der es 25-jährig ungedraftet via zweite Liga Schwedens in die NHL schaffte. Dort behauptete er sich neun Jahre lang, auch als für Gegner mühsamer Spieler. Diese Saison fiel er lange verletzt aus. Die Blessur sei sehr kompliziert gewesen, sagt Raffl, er spricht von Herzblut und Schweiss, die vonnöten gewesen seien für das Comeback rechtzeitig fürs Playoff.

Nun spielt Raffl wieder wie immer: grösser, als er ist. Im Mysports-Studio schwärmen sie vom 1,96-Meter-Mann, der aber nur 1,84 gross ist – es ist ein Freudscher Versprecher. Den Zürchern scheint nur schon seine Nähe unangenehm zu sein, dem ZSC unterlaufen plötzlich auch im Powerplay reihenweise technische Fehler bei der Puckkontrolle.

In der Schweiz kann Raffl zudem seine offensiven Stärken besser zur Geltung bringen, sein Spiel ist aber im Graubereich geblieben. Nur zwei Minuten nach Lehtonen bekommt ihn auch Balcers zu spüren. Dass Raffl nicht unter die Dusche, sondern nur für zwei Minuten auf die Strafbank muss, ist ein Zentimeter-Entscheid der Refs nach Videostudium: Raffl trifft den ZSC-Stürmer zwar auch am Kinn, also am Kopf, aber vor allem am Körper.

Wenig Lauffreude – ausgerechnet der ZSC!

Nach dem Spiel lobt Raffl das Talent der ZSC Lions, «wir müssen physisch spielen, so ist das Eishockey». Und: «Wir haben einen Weg gefunden», so müsse es in engen Playoff-Spielen sein. Und damit spricht er vielleicht auch ungewollt das Problem der Zürcher an. Diese typischen Attribute des Playoff-Spielers, sie lassen sie an diesem Abend zu oft vermissen. Die starke Phase vor und nach dem 2:2 ist ein Strohfeuer.

Sie sehen bei 5-gegen-5-Hockey zu oft aus wie Lausanne beim ersten Gegentor: Schlechtes Backchecking nach Andrighettos Puckverlust vor dem 1:2. Schlechte Entscheide gleich beider Verteidiger (Marti/Baltisberger) vor dem 2:3. Sie wirken in ihren Aktionen häufig soft und untentschlossen. Und viel zu wenig lauffreudig – ausgerechnet der ZSC! So sieht Playoff-Hockey nicht aus, Trainer Crawford dürften in einzelnen Momenten die Haare zu Berge stehen.

Auch der Kanadier weiss zwar: Die erste Niederlage im Playoff 2024 ist kein Beinbruch. Der 1:1-Zwischenstand im Best-of-7 auch nicht. Und dennoch muss Crawford nun Lösungen finden für Spiel 3. Lausanne war zweimal besser, das 1:1 schmeichelt eher dem ZSC. Dieser muss beginnen, den Final mit seinem Eishockey zu prägen, Lausanne tut das seit Spiel 1. Geht es so weiter, ist der LHC auf gutem Weg zum ersten Titel der Vereinsgeschichte. Mit Playoff-Spieler Michael Raffl, dem 35-jährigen Österreicher, der die Lions vorerst aus der Spur gebracht hat. Fortsetzung am Samstag.

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2024-04-19T06:37:30Z dg43tfdfdgfd