«ES IST NICHT AUSZUSCHLIESSEN, DASS ES WIEDER TODESFäLLE GEBEN WIRD»

Immer wieder wird in jüngster Vergangenheit von schweren Stürzen im Radrennsport berichtet. Braucht es neue Regeln? Wir haben nachgefragt.

Die Sturzserie von Top-Fahrern und die traumatischen Bilder des schwer verletzten Tour-de-France-Siegers Jonas Vingegaard erschüttern den Radsport. Der dramatische Unfall des Dänen, der bei der Baskenland-Rundfahrt neben Knochenbrüchen auch eine Lungenquetschung erlitt, verschärft die Sicherheitsdebatte – und sorgt auch bei Radsport-Organisatoren für Entsetzen.

Der deutsche Radprofi Simon Geschke sagte etwa der DPA: «Es war hundertprozentig die Schuld der Fahrer. Die waren einfach zu schnell. Die Strasse war gut, es war trocken. Es war keine Kurve, die völlig überraschend kam.» Er sei froh, dass niemand im Koma liege.

Weltmeister Mathieu van der Poel sagte «L’Équipe»: «Ich glaube, das gefährlichste Element des Radsports sind die Fahrer selbst. Es wird etwas riskiert, und das grösste Problem ist: Alle wollen vorn am gleichen Platz sein, und das ist nicht möglich.»

Fahrer müssen fair sein

20 Minuten hat bei SRF-Radsport-Experte David Loosli nachgefragt, dieser bestätigt van der Poels Aussage, indem er meint: «Es braucht sicher Regeln, damit die Fahrer fair miteinander umgehen. Sie sind es, die Stürze vermeiden oder auslösen können.» Es brauche genaue Regeln, was Fahrer tun dürften und was nicht. Es sei aber extrem schwierig, Fehlverhalten zu ahnden, wenn es ein Feld von 170 Rennfahrern gebe, so der 43-Jährige.

Und wie sieht es mit der Gefahr nach weiteren Toten aus? In trauriger Erinnerung haben besonders Schweizer Radsport-Fans den Tod von Gino Mäder nach einem Sturz an der Tour de Suisse im letzten Juni.

Loosli sagt: «Das ist ein trauriges Thema. Man muss sich aber bewusst sein, dass es in gewissen Sportarten früher oder später zu Todesfällen kommen wird. Das gab es auch schon in der Vergangenheit, es ist leider immer möglich, das Risiko fährt bei jedem Velorennen mit.»

Für den Berner ist es erstaunlich, dass verhältnismässig wenig passiere, wenn man sehe, wie die Rennfahrer stürzten. «Es ist definitiv nicht auszuschliessen, dass es wieder Todesfälle geben wird. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Sicherheit überall zu verbessern, wo dies möglich ist, um dieses Risiko zu minimieren.»

Gelbe und Rote Karten?

Um schlimme Stürze zukünftig zu verhindern, ist die Fantasie gross. Thierry Gouvenou, Renndirektor von Paris-Roubaix, forderte in «L’Équipe» eine Grundsatzdebatte: «Fangen wir an, über die Geschwindigkeitsprobleme nachzudenken.» Es sei an der Zeit, sich Grenzen zu setzen. Christian Prudhomme, Direktor der Tour de France, begrüsst einen Lösungsvorschlag aus dem Fussball.

«Das System der Gelben und Roten Karten ist da und die Radsportwelt ist darauf vorbereitet», sagte der Franzose «Het Nieuwsblad». Auch der Weltverband UCI behält sich die Einführung eines Systems mit Gelben und Roten Karten vor. «50 Prozent der Stürze sind auf das Verhalten der Fahrer zurückzuführen», sagte UCI-Präsident David Lappartient «Cyclingnews». «Wir wollen wie im Fussball ein Prinzip von Gelben und Roten Karten einführen, damit gefährliches Verhalten besser bestraft wird.»

Reglement strikt anwenden

Loosli dazu: «Ob die Karten das Geheimrezept für weniger Stürze sind, weiss ich nicht. Ich bin aber dafür, dass man das Reglement strikt anwendet. Die Rennfahrer müssen wissen, was sie tun dürfen oder eben nicht.» Aktuell werde viel toleriert, bei Massensprints, wenn gerempelt werde, dann würde oftmals ein Auge zugedrückt. «Man muss konsequent sein und genau hinschauen», so der Berner.

Loosli findet es schwierig zu beurteilen, ob es heute zu mehr schweren Stürzen kommt als noch früher. «Es kann damit zusammenhängen, dass nun viele Medien darüber berichten. Jeden Sturz kann man sich fast überall anschauen, es ist immer ein Video vorhanden, das gab es früher viel weniger.» Es wäre auch für ihn interessant, die Statistiken mit früher zu vergleichen, man habe jedenfalls das Gefühl, das häufe sich aktuell.

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