«IN EINEM 7. SPIEL ENTSCHEIDEN DIE UNTERHOSEN»

Torhüter Philip Wüthrich besteht den ultimativen Belastungstest: Der SCB gewinnt gegen Zug 3:0 und nun folgt am Samstag Spiel 7. Bei Zug war nur Leonardo Genoni magisch.

Der SC Bern verliert am letzten Montag in Zug 2:6. Das Torhüter-Wechselspiel von Jussi Tapola ist das grosse Thema. Philip Wüthrich ist an den beiden Gegentreffern absolut unschuldig. Trotzdem holt ihn der SCB-Trainer nach dem 0:2 in der 18. Minute vom Eis und ersetzt ihn durch Adam Reideborn.

Gross ist das Geschrei, praktisch einhellig sind die Meinungen: Das geht nicht! Torhüter sind sensibel! Es kann sein, dass Philip Wüthrich diesen Wechsel ganz und gar nicht goutiert und sein Selbstvertrauen ruiniert wird! Jussi Tapola sieht kein Problem: «Ein Torhüter muss eine solche Situation verkraften können.» Punkt. Der SCB-Trainer hat nach der Niederlage in Zug auch betont, es bestehe noch immer für jeden die Chance, ein «Playoff-Held» zu werden. Wo er recht hat, da hat er recht: Wer ein grosser Goalie werden will – beispielsweise in Bern einer wie einst Renato Tosio – muss solche Situationen wegstecken können.

Jussi Tapola gibt Philip Wüthrich nicht nur zwei Tage später die nächste Chance. Er schenkt ihm für das 6. Spiel das absolute Vertrauen: Auf der Bank sitzt nicht mehr der Schwede Adam Reideborn. Sondern zum ersten Mal im Viertelfinal Daniel Manzato (40). Seine erste Nomination im Viertelfinal. Er hat zum letzten Mal am 1. Dezember 2023 in Davos gespielt. Der SCB verliert 0:7 und seine Fangquote (75 Prozent) ist eine miserable.

Damit ist klar: Wenn sich Philip Wüthrich nicht verletzt, wird es keinen Goalie-Wechsel geben. Das bedeutet auch: Der SCB kann zum ersten Mal im Viertelfinal sechs ausländische Feldspieler einsetzen: Drei Verteidiger (Patrik Nemeth, Ville Pokka, Julius Honka) und drei Stürmer (Colton Sceviour, Dominik Kahun, Joona Luoto). Was sich auszahlen wird: Das ausländische Personal hat seine Stöcke bei allen drei Treffern im Spiel und Dominik Kahun ist mit einem Assist am eminent wichtigen 1:0 beteiligt. Der erste Skorerpunkt des SCB-Qualifikations-Topskorers im Viertelfinal.

Das 6. Spiel wird also für Philip Wüthrich zur maximalen Herausforderung. Verliert der SCB, dann ist die Saison zu Ende. Gewinnt der SCB, folgt am Samstag in Zug Spiel 7. Philip Wüthrich muss besser sein als Leonardo Genoni. Statistisch und auch sonst. Mehr Herausforderung geht nicht in einem Viertelfinal, der von den Goalies geprägt wird.

Leonardo Genoni hat nämlich ganz offensichtlich beschlossen, alles klarzumachen und den Halbfinal im 6. Spiel zu erreichen. Aber er hat für einmal Pech und kann seine Entscheidung nicht in die Tat umsetzen: Seine Vordermänner lassen ihn im Stich. Im 6. Spiel ist bei Zug nur Leonardo Genoni magisch, meisterlich, wunderbar, beeindruckend und brillant. Er pariert 93,75 Prozent der Schüsse. Ein Wert, der eigentlich in den Playoffs fast immer zum Sieg reicht. Erst recht bei einem nominell so guten Team wie Zug. Kommt dazu: Er verhindert mehrere Tore, die als «unhaltbar» bezeichnet worden wären.

Aber in diesem Viertelfinal hat Zug nur die drei Spiele gewonnen, bei denen Leonardo Genoni mehr als 94 Prozent der Pucks gestoppt hat. 97,56 Prozent beim 4:1, 95,00 Prozent beim 6:1 und 94,44 Prozent beim 6:2. Die Zuger verlieren in Bern 0:3. Im ersten Drittel werden sie mit 4:14 Torschüssen dominiert wie nie zuvor in der Startphase eines Playoff-Spiels der Ära Tangnes, die im Herbst 2018 begonnen hat. Bereits in der 8. Minute versucht er seinen Männern mit einem Time-Out eine Verschnaufpause zu verschaffen. Es nützt wenig bis nichts.

Die Zuger erholen sich erst im Laufe des Mitteldrittels. Das Torschussverhältnis aus dem zweiten und dritten Drittel: 21:19 für den EVZ. Aber Torhüter Philip Wüthrich ist noch besser als Leonardo Genoni. Er stoppt alle Pucks. Einfach alle. Am Ende dieser Entwicklung müsste der SCB eigentlich den nächsten Renato Tosio haben.

Schon jetzt steht fest: Drei Siege im Viertelfinal – so gut war der SCB seit dem letzten Meistertitel von 2019 nie mehr. 2021 und 2023 reichte es im Viertelfinal lediglich zu zwei Siegen gegen Zug bzw. Biel. 2022 hatten die Berner unter Operetten-Trainer Johan Lundskog auf Rang 11 (!) nicht einmal die Pre-Playoffs erreicht.

Nun folgt am Samstag im Viertelfinal von 2024 Spiel 7. Die Zuger haben hoffnungsvolle Erinnerungen: Sie sind 2022 im 7. Finalspiel gegen die ZSC Lions Meister geworden. Erinnerungen an die Zukunft? Vielleicht. Vielleicht auch nicht: Das meisterliche Zug von 2022 ist zwei Jahre später zum gewöhnlichen Zug «geschrumpft». Nur Leonardo Genoni und Lino Martschini sind so gut wie 2022.

Auch die Berner haben gute Erinnerungen: Sie haben ihr letztes 7. Spiel in den Playoffs ebenfalls gewonnen: 5:1 im Halbfinal von 2019 gegen Biel. Damals stand noch Leonardo Genoni im SCB-Tor.

Dan Tangnes und Jussi Tapola sagen übereinstimmend, die 7. Partie werde die mentale Stärke entscheiden. Dan Tangnes gibt seinen Spielern am Donnerstag frei. Er wolle sie nicht im Stadion sehen. «Sie sollen um Leute herum sein, die ihnen Energie geben.»

Jussi Tapola formuliert es blumiger.

«In einem 7. Spiel entscheiden die Unterhosen.»

Wie das?

«Es kommt drauf an, die richtigen Unterhosen zu tragen. Solche, die nicht voll sind …»

So einfach ist es: das 7. Spiel, bloss eine Frage der Unterhosen. Wir empfehlen die Marke «Snocks». Nein, nein, der Chronist macht keine Schleichwerbung. Aber bei dieser Marke steht im Produktebeschrieb: «Und für den Fall, dass doch mal etwas schiefgeht, haben wir uns dazu entschieden, eine Anti-Loch-Garantie einzuführen.» Das wäre dann, etwas frivol interpretiert, eine «Shutout-Garantie» für Philip Wüthrich: kein Loch, kein Gegentreffer = Shutout = Halbfinal.

Aber auch Leonardo Genoni wird – um beim wie gesagt schon etwas frivolen Vergleich zu bleiben – am Samstag nicht in die Hosen machen.

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