IST DIE ZEIT DER SAMMEL-BILDLI VORBEI?

Statt Panini verfügt jetzt Topps über die Rechte an den Stickern für die Fussball-Europameisterschaft in Deutschland. Das sorgt für kritische Stimmen.

Ja! Was für ein Wert hat eine Sammlung zur EM 2024, in der die Bildchen von Stars wie Mbappé und Foden fehlen?

Was waren das für Zeiten, als man kurz vor einer Fussball-EM voller Euphorie zum Kiosk eilte, um sich die legendären Panini-Bildchen mit dem dazugehörigen Heft zu kaufen. Jetzt ist alles anders: Nicht mehr die Firma aus Norditalien wird die Hefte und Sticker für die EM 2024 und 2028 herausbringen, sondern Topps, der grosse Konkurrent aus den USA. Dies ist in vielerlei Hinsicht eine absolut ärgerliche Zäsur.

Panini ist Kult. Mehr als das: Der Begriff entwickelte sich zum Synonym für die begehrten Sticker. Topps hingegen dürfte kaum zu einem geflügelten Wort heranwachsen. Dafür existieren in diesem Zusammenhang zu viele Traditionalisten und Nostalgiker.

Diese werden sich auch daran stören, dass eine US-amerikanische Firma für das bedeutsamste europäische Fussballturnier die Sticker herstellt. Gerade in den USA ist Fussball nur die sechstpopulärste Sportart. In Italien dagegen liegt sie klar auf dem Spitzenplatz, genauso wie im gesamten Europa. Dass die Produktion der Bildchen in amerikanischer Hand ist, dürfte also wie so oft vor allem finanzielle und weniger sportliche Gründe haben.

Und selbst wenn man die Romantikerbrille ablegt und nur das reine Endresultat betrachtet, so weiss es wenig zu überzeugen. In der Sammlung fehlen Spieler wie Frankreichs Ausnahmekönner Kylian Mbappé, Englands Jungstar Phil Foden oder Deutschlands Torwartlegende Manuel Neuer. Das hängt mit der Rechtesituation zusammen: Einige Akteure und Verbände haben mit Panini langjährige und exklusive Verträge abgeschlossen.

Unter dieser Lückenhaftigkeit leidet die Qualität. Topps setzt deshalb lieber auf Quantität – und das hat erhebliche Auswirkungen auf den Preis. Für 728 Sticker auf insgesamt 88 Seiten muss man mindestens 200 Franken berappen.

Bei den Kategorien hat sich der Hersteller kreative Lösungen einfallen lassen, um sich die Taschen noch ein wenig voller zu machen. So gibt es nicht nur bei jedem Team mehrere Zusatzsticker, sondern haben es auch die Mannschaften in das Heft geschafft, die in den Playoffs gescheitert sind und sich gar nicht für die EM qualifiziert haben, darunter Luxemburg oder Kasachstan. Dies widerspricht gänzlich dem Grundgedanken einer solchen Sammlung.

Der einzige Hoffnungsschimmer, der für die Welt der Sammelwütigen nun noch bleibt, ist der, dass zumindest die Fifa für die Fussball-Weltmeisterschaften 2026 und 2030 weiterhin auf Panini setzt. So kann möglicherweise wieder umgekehrt werden, was die Bildchen momentan darstellen: Relikte aus vergangenen Tagen. Daniel Schmidt

Nein, wieso sollten die Jungen jetzt weniger Spass am Sammeln haben als die Generationen davor?

Ein früher Freitagnachmittag im Mai 2006. Man rennt vor der Nachmittagsschule noch schnell zum Kiosk, um dort das ersparte Sackgeld gegen zwei Panini-Päckli einzutauschen. Dann ab auf den Pausenhof und die letzten verbleibenden Minuten – natürlich ist man extra etwas früher von zu Hause losgelaufen – nutzen, um den frisch erhaltenen, leider doppelten Ronaldinho gegen einen Zinedine Zidane zu «düschle». Denn der fehlt noch im Panini-Album. 

Alternative für jene, denen tauschen zu wenig nervenaufreibend war: «Blösle» – zumindest im Bottmingen jener Zeit hiess das so. Zwei Personen setzten eine beliebige Anzahl WM-Bildchen aufs Spiel, deren addierte Werte sich in etwa die Waage hielten. Der Stapel wurde verdeckt an eine Wand oder eine Treppenstufe gelegt, bevor die Spieler nacheinander durch Pusten versuchten, die Bildchen umzukehren. Jene, die nach dem eigenen Luftstoss offen da lagen, durften behalten werden. 

Das sind Kindheitserinnerungen, die sich in ein Hirn einbrennen und nicht so schnell verloren gehen. Sodass man auch noch 18 Jahre danach ein Zucken in den Fingern verspürt, wenn man zufälligerweise an einer Theke mit EM-Bildli vorbeiläuft. 

Und es stellt sich bei der ganzen Kritik am neuen Topps-Album die Frage: Was spricht jetzt genau dagegen, dass man daran noch den gleichen Spass haben kann wie in den Jahren zuvor? 

Natürlich ist das EM-Heft 2024 nicht mehr dasselbe wie das WM-Heft 2006 – und die ganzen davor. Wie soll es denn auch? Der Fussball verändert sich. Die Welt verändert sich. 

Aber die Generation, die sich nun im besten Sammelalter befindet, hat das ja nicht mitbekommen. Sie erlebt erst jetzt die Momente, die ihr für immer im Gedächtnis bleiben werden. Und da geht es nicht darum, ob Kylian Mbappé, Toni Kroos oder Phil Foden im Album sind oder nicht. Es geht schlicht um den Spass am Sammeln.

Kommen zwei weitere Argumente hinzu. Erstens: Topps ist führend im Stickermarkt, und die Firma weiss, was sie tut. Sie ist bereits seit längerem für die Alben der Champions League verantwortlich.

Und zweitens, für jene, die trotz allem nicht vom Traditionsgedanken und von Panini wegkommen: Topps hat sich bislang nur die Rechte für die beiden Europameisterschaften 2024 und 2028 gesichert. Die Rechte für die Weltmeisterschaft liegen derzeit noch immer bei Panini – sowie potenziell auch wieder jene für die EMs ab dem Jahr 2032. Linus Schauffert

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