NUN VERBLüFFEN DIE SCHNELLSTEN SCHWESTERN SCHON IM APRIL

Mujinga und Ditaji Kambundji trennen zehn Jahre – ihre Ziele aber sind diese Saison die gleichen: EM-Gold und Olympiafinals. Für die Ältere beginnt eine Gratwanderung, für die Jüngere ein Höhenflug.

Mitte April, die Temperaturen kriechen in der Schweiz gegen den Gefrierpunkt, die Tulpen sind unter der Last des nassen Schnees zusammengebrochen. Doch das kümmerte Mujinga und Ditaji Kambundji in den vergangenen Tagen nicht. Die beiden Schwestern haben sich aufgemacht nach China: Start in eine sehr befrachtete Saison bei rund 25 Grad. Es ist genau so, wie es Sprinterinnen gernhaben. Und es ist für die beiden das Ventil, das sich nach monatelangem Wintertraining endlich öffnet.

Kein Testwettkampf also, kein Herantasten, sondern ein schonungsloser Einstieg. Dass Kambundji/Kambundji in der Hafenstadt Xiamen im Südosten Chinas gleich beim ersten Diamond-League-Meeting (von 15) auf dem höchsten Level starten, hat für sie Vorteile: Es ergibt sich am Anfang einer fünfmonatigen Wettkampfsaison mit der EM in Rom (7. bis 12. Juni) und den Olympischen Spielen in Paris (Leichtathletik ab 1. August) der schnelle Vergleich mit den Besten und eine sehr frühe Standortbestimmung auf dem Weg an die Grossanlässe. Der zweite Auftritt in Shanghai am nächsten Samstag soll die Aussagekraft der Leistungen zusätzlich schärfen.

Und wie sich das Ventil am Samstag öffnete – zumindest bei Ditaji Kambundji: In 12,70 Sekunden flog sie über die Hürden, als befände sie sich schon mitten in der Saison. Eine solche Zeit ist der erst 21-Jährigen im letzten Jahr, als sie den Durchbruch in die erweiterte Weltspitze schaffte, nur fünfmal gelungen. Und: In genau dieser Zeit wurde sie an der WM in Budapest Siebte. Wenn dies erst der Anfang ist, wie sieht es dann im Hochsommer aus? Sie sagte: «Ich bin sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie ich gelaufen bin. Es ist erst April, damit kann ich nun etwas anfangen.»

Ähnlich äusserte sich Mujinga Kambundji. In 23,39 Sekunden über 200 m gelang ihr eine solide Zeit, auffällig war, dass alle Konkurrentinnen weit über ihren Bestzeiten lagen. Wieso das so gewesen sei, wisse sie nicht, «mir ist fast wichtiger, dass es nun losgegangen ist».

Die beiden sind im Winter einen für sie aussergewöhnlichen Weg gegangen. Mujinga Kambundji, die im Sommer 32 Jahre alt wird, hat als Hallen-Weltmeisterin über 60 m auf die Indoor-WM verzichtet – und damit auf die Verteidigung ihres Titels. Ihre zehn Jahre jüngere Schwester, die in der U-23-Kategorie den Europarekord über 100 m Hürden hält, hat es ihr angesichts der vielen Höhepunkte und Ziele in dieser Saison gleichgetan. Und fand es doch ungewohnt, ihre sonstigen Rivalinnen am Fernsehen zu verfolgen.

Eine erneute Entzündung im Fuss vermeiden

Erstaunt hat der Verzichtsentscheid kaum. Mujinga Kambundji kämpfte im Sommer ständig gegen eine entzündete Plantarfaszie im linken Fuss an. Diese behinderte sie einmal mehr, einmal weniger, ihr absolutes Top-Niveau erreichte sie dadurch nie. Vor einigen Wochen sagte sie jedoch, im Training hätte sie die Beschwerden so weit im Griff. Und nun sei das Ziel natürlich, das Risiko einer erneuten Entzündung vor Olympia so klein wie möglich zu halten – bei möglichst hoher Belastung. Und die ist über 200 m wegen des Drucks in der Kurve höher als im Kurzsprint. Dennoch plant sie als Europameisterin über die halbe Bahnrunde einige Starts über diese Distanz – die Olympialimite hat sie bereits im Sack.

Die beiden Schwestern haben noch nie verhehlt, wie sehr sie Sonne und warme Temperaturen mögen. Und dennoch scheuten sie sich nicht, die ganze Grundlagenarbeit in den kalten Monaten in der Schweiz zu verrichten – mit Ausnahme von wenigen Wochen, die Ditaji Kambundji auf Teneriffa trainierte. «Ohne Hallenwettkämpfe konnten wir uns bewusst Zeit nehmen, um an der Basis zu arbeiten», sagte Mujinga Kambundji. Headcoach Florian Clivaz glaubt, die beiden hätten sich in allen Bereichen weiterentwickelt. Er sagt: «Die Kunst ist es nun, die einzelnen Puzzleteilchen bis zum ersten Höhepunkt in Rom zusammenzubringen, um bis Paris noch einen draufzusetzen.»

Vor zehn Jahren ein neues Gesicht

2024 gibt es nicht nur die EM in Rom, Olympia in Paris und die Diamond-League-Meetings Athletissima und Weltklasse: Es gibt auch das kleine und unscheinbare 10-Jahr-Jubiläum der EM in Zürich. Jener Anlass, der durch seine Nachhaltigkeit für die Entwicklung der Schweizer Leichtathletik so eminent wichtig war.

Bereits 2014 sprintete Mujinga Kambundji in die Nähe der Podeste und Medaillen und löste mit ihren erfrischenden Auftritten (und dem verlorenen Stab in der Staffel) eine Welle der Sympathie im Land aus. Sie wurde zum neuen Gesicht einer leicht angestaubten Sportart. Zehn Jahre später staunt die Leichtathletikwelt über den Schweizer «Sister Act».

Die Kambundjis sind die schnellsten Schwestern der Welt. Die ältere, die ihren Aufstieg immer auch als wichtiges Zeichen für die Jungen verstanden hat und ihrer Schwester eine Erfolgsspur hinterliess, sagte einst sogar, Ditaji sei talentierter als sie. Möglich. Noch sind sie aber im Gleichschritt unterwegs.

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