ODERMATT UND ZURBRIGGEN – DIE ZWEI ÜBERFLIEGER DES SKISPORTS VERBINDET AUCH PERSöNLICHES

Letztmals und zum bisher einzigen Mal hat 1987 ein Schweizer Skifahrer vier Kristallkugeln in einem Winter gewonnen. Bei Pirmin Zurbriggen waren es sogar deren fünf. Dass ihn Marco Odermatt eines Tages als erfolgreichsten Schweizer Skirennfahrer ablösen wird, freut den 61-Jährigen aus einem Grund ganz speziell.

Der Beginn der Beziehung war ein wenig schläfrig. Als der Nidwaldner Skitrainer Walter Odermatt im Jahr 2004 mit seiner Familie nach Zermatt reiste, um Pirmin Zubriggen um Rat zu fragen, da wurde er selbst zwar so richtig nervös. «Pirmin war und ist für mich ein Idol – auch heute noch», sagt der Vater von Marco Odermatt.

Auf seinen damals sechsjährigen Sohnemann allerdings, schwappte die väterliche Aufregung in keiner Weise über. Marco Odermatt erinnert sich: «Während der Besprechung schlief ich im Zimmer auf dem Stuhl ein.»

Seither sind 20 Jahre vergangen. Eingeschlafen ist der aktuelle Weltcup-Dominator in Anwesenheit des erfolgreichsten Schweizer Skirennfahrers nie mehr. Getroffen haben sich die beiden Familien hingegen regelmässig.

Marco Odermatt klärt auf: «Ich kenne Pirmin inzwischen sehr gut. Näher kennengelernt habe ich ihn durch seinen Sohn Elia, mit dem ich während zwei Jahren bei Trainingslager und Rennen das Zimmer teilte und damals eigentlich immer zusammen unterwegs war. Ich war auch an der Hochzeit von Elia». Der Nidwaldner verrät, dass er jeweils bei Pirmin auf einen Kaffee vorbeischaue, «wenn ich in Zermatt auf dem Gletscher trainiere.»

Vater Walter wollte vor 20 Jahren als Vorstandsmitglied des Skiclubs Hergiswil Rat von Pirmin Zurbriggen zur geplanten Begabtenförderung an der Schule zuhause am Fusse des Pilatus. Zurbriggen engagierte sich nach seinem frühen Rücktritt während mehr als zehn Jahren als Präsident des Walliser Skiverbandes und hatte in diesem Thema bereits Erfahrungen gesammelt. Schnell merkten die zwei Männer, dass sie als «Skiverrückte» auf der gleichen Wellenlänge lagen und das Thema für beide eine Herzensangelegenheit war.

Für Vater Odermatt bleibt Pirmin der Grösste

Walter Odermatt schwärmt heute noch von seinem früheren Vorbild. «Pirmin nimmt sich jedes Mal enorm viel Zeit für uns.» Die Odermatts verbrachten Wanderferien im Hotel der Zurbriggens, die Familien lernten sich immer besser kennen, «Auch unsere Frauen verstanden sich auf Anhieb», sagt der Nidwaldner. Walter Odermatt sagt: «Pirmin Zurbriggen ist für mich immer noch der grösste Sportler, den die Schweiz im Skirennsport je hatte.»

Als Marco Odermatt im vergangenen Frühling am Kantonshauptort Stans von der Regierung empfangen wurde, reiste Pirmin Zurbriggen extra aus dem Wallis zur Feier an. «Das war für mich sehr emotional», gesteht Marcos Vater. Also würde er Pirmin Zurbriggen heute als Freund bezeichnen? Walter Odermatt zögert und sagt: «Fragen Sie das besser Pirmin Zurbriggen. Für mich ist er auch heute noch primär ein Idol.»

Also fragen wir den inzwischen 61-Jährigen Pirmin Zubriggen: Sind die Odermatts Freunde? «Ja, zwischen uns ist definitiv eine Freundschaft entstanden. Walter ist ein herzlicher Mensch und ein grosser Skifanatiker.»

Im Jahr 1987 gab es für Pirmin fünf Kristallkugeln

Zurbriggens Kugelsammlung ist aktuell noch grösser als jene von Marco Odermatt. Insgesamt viermal gewann er den Gesamtweltcup, ebenso oft die Kugel für den besten Super-G-Fahrer des Winters sowie je zweimal den Pokal in der Abfahrt und im Riesenslalom. Im Frühjahr 1987 war der Erfolg total. Damals hamsterte der Oberwalliser sogar fünf Kristallkugeln, zusätzlich zu den aufgezählten auch jene für die Kombination.

Einen weiteren Schweizer Rekord wird Zurbriggen wohl bald an Odermatt verlieren. Seine 40 Siege in Weltcuprennen. Marco Odermatt steht aktuell bei 37 Erfolgen. Was sagt der heutige Hotelier dazu, dass er vom Nidwaldner bald aus den Rekordbüchern verdrängt wird? «Wie cool ist das, wenn man so etwas miterleben darf», lautet die spontane Antwort. Dass er Marcos Familie so gut kenne, gebe diesem Vorgang eine ganz spezielle Note. «Wenn Marco bei uns vorbeischaut, ist das jeweils für die ganze Familie ein Erlebnis.»

Pirmin Zurbriggen adelt seinen baldigen Nachfolger: «Es ist ein Athlet, den man in der Schweiz nicht genug wertschätzen kann. Diese Qualität und diese Konstanz! Wenn er gesund bleibt, kann er über 50 Rennen gewinnen.» Zurbriggen ist sich sicher, dass Marco den Spirit von den Eltern mitbekommen hat.

Zurbriggen ist fasziniert, wie Odermatt unterwegs beschleunigt

Der 61-Jährige schwärmt von einer ganz besonderen Eigenschaft Odermatts: «Es ist faszinierend, wie gross sein Gespür für die Beschleunigung ist. Wie er bereits in der Anfahrt auf die Tore darauf hinarbeitet und diese Fahrweise auch kontrollieren kann.» Zurbriggen sagt, um das zu können, müsse man sich selbst sehr gut spüren können.

Und Marco Odermatt? Der 26-jährige ist nach dem fünften Rang im Super-G sehr zuversichtlich auf das enge Rennen in der Abfahrt gegen den Franzosen Cyprien Sarrazin. Er spricht von einer sehr guten Leistung, einem guten Gefühl auf den Ski. «Das gibt Vertrauen für den Sonntag».

Einziger verbliebener Konkurrent um die Kugel des besten Super-G-Fahrers war Vincent Kriechmayr. Weil dieser direkt vor ihm auf die Piste ging und sich je nach Resultat des Österreichers die Situation veränderte, machte Marco Odermatt etwas, das er sonst nie tut: Er liess sich vom Trainer unmittelbar vor seinem Start über das Resultat Kriechmayrs informieren. «Ich habe mir lange überlegt, ob ich das so will oder nicht», sagt Odermatt. Die Rechnung ging in diesem Fall bereits auf, bevor im Starthaus seine Zeit ausgelöst wurde. Denn mit dem fünften Zwischenrang nahm sich Kriechmayr aus dem Kugelrennen.

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