STARS WIE DJOKOVIC UND SABALENKA KöNNEN SICH ALLES LEISTEN

Nationalistische Parolen, Verweigerung von Interviews – am French Open wird offensichtlich: Das Tennis hat seinen moralischen Kompass verloren.

Aryna Sabalenka war nach ihrem dritten Spiel in Roland Garros nicht zu sprechen für die Medien. Die Weissrussin liess verlauten: «Für meine eigene psychische Gesundheit und mein Wohlbefinden habe ich beschlossen, mich heute aus dieser Situation herauszunehmen, und das Turnier hat mich dabei unterstützt. Am Mittwoch hatte ich mich in der Pressekonferenz nicht sicher gefühlt.»

Sabalenka fühlte sich nicht sicher, weil ihr eine ukrainische Journalistin Fragen zu ihrem Verhältnis zu Weissrusslands Präsident Alexander Lukaschenko gestellt hatte. Was sollen dann die Menschen in der Ukraine sagen, die täglich mit Raketenangriffen rechnen müssen, auch aus Weissrussland, wo Wladimir Putin inzwischen taktische Atomwaffen stationiert hat? Beim Nachfragen bei Sabalenka war die Journalistin übrigens abgeklemmt worden. Das nennt man dann wohl Beschneidung der Pressefreiheit.

Roland Garros läuft auf Hochtouren, auch ohne Rafael Nadal und Roger Federer, die Anlage ist täglich ausverkauft und platzt vor Leuten aus allen Nähten. Doch das Tennis hat seinen moralischen Kompass verloren. Die Profis aus Russland und Weissrussland werden von der Tour und von den Turnieren protegiert und dürfen in einem Monat nun auch wieder in Wimbledon teilnehmen, anders 2022. Die Championships waren im vergangenen Jahr für deren Ausschluss abgestraft worden. Derweil konnte man sich immer noch nicht darauf einigen, wie man die ukrainischen Spielerinnen und Spieler unterstützen könnte, die durch den Krieg in ihrem Land seit 15 Monaten keine Heimbasis mehr haben.

Es passt zum jämmerlichen Bild, das der Sport in dieser Beziehung in den letzten Jahren abgab. Alle scheinen nur noch getrieben vom Geld. Der Weltverband ITF verkaufte 2018 den traditionsreichen Davis-Cup wider besseres Wissen für 25 Jahre an die Investorengruppe Kosmos des Fussballers Gerard Piqué. Als das Geld nicht mehr floss, zog man zu Beginn dieses Jahres nun die Notbremse. Piqué hat seine Tennisabteilung inzwischen geschlossen und setzt auf seine Klamauk-Fussballliga Kings League.

Das Australian Open rief derweil 2020 den ATP-Cup ins Leben, um sich die Taschen zu füllen, und strich den beliebten Hopman-Cup der beiden Geschlechter. Als es nicht funktionierte, schaffte man den Team-Wettbewerb für die Männer nach zwei Jahren halt wieder ab.

Der falsche Moralapostel

WTA-Chef Steve Simon spielte sich im mysteriösen Fall von Peng Shuai als Moralapostel auf und zog Ende 2021 alle Turniere aus China zurück. In diesem April krebste er zurück mit der Begründung, wenn eine Strategie nicht funktioniere, müsse man sie ändern. Die Frauentour braucht das Geld aus China, man kann sich keine Moral mehr leisten.

Derweil schafft es dieser Sport immer noch nicht, die Basis der Spielerinnen und Spieler zu erweitern, die davon leben können. Kein Wunder, ist die zweite und dritte Garde so anfällig auf Wettbetrüger. Diese zahlen sie wenigstens anständig. Und Novak Djokovic proklamiert in Paris mal kurz, das seit 2008 unabhängige Kosovo sei das Herz Serbiens. Das Turnier lässt ihm das durchgehen, er sei halt ein bisschen emotional, heisst es. Djokovic polarisiert, aber er ist eben auch ein Publikumsmagnet.

Jetzt müssen wir nur noch darauf warten, dass eine Investorengruppe aus Saudiarabien (zum Beispiel) kommt, wie im Golf, und Milliarden bietet. Man hat das Gefühl, im Tennis würde man alles tun, solange der Rubel rollt – bis er nicht mehr rollt. Tradition und Moral zählen in diesem Sport nicht mehr viel. Dabei gehörten diese Werte einst zur DNA des Tennis.

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