WARUM BREMSEN DIE SKISTARS AUF EINMAL ABSICHTLICH?

Michelle Gisin verzichtet freiwillig auf Gold, Loïc Meillard fährt aufrecht durchs Ziel: Das Langsamfahren hilft anderen – wobei ein kompliziertes Punktereglement auch zum Betrügen einlädt.

Es ist die Schweizer Meisterschaft, es geht um Gold. Und dann das: Im zweiten Slalomlauf auf der Lenzerheide hat Michelle Gisin bei der Zwischenzeit eine Sekunde Vorsprung, es sieht nach einem lockeren Sieg aus, doch zehn Tore vor dem Ziel stellt sie den Betrieb ein. Die Engelbergerin bremst stark ab, sehr stark sogar. Es reicht für Rang 6.

Zuvor gewinnt Loïc Meillard den Riesenslalom, die Differenz zum Zweiten beläuft sich deswegen auf bloss 47 Hundertstel, weil er in beiden Läufen gegen Schluss das Tempo drosselt. Der Laie fragt sich: Was ist in ihn gefahren? Hat er nicht gewinnen wollen? 

Es sind skurrile Bilder, aber aus Sicht des Verbands haben Gisin und Meillard alles richtig gemacht. Für die Spitzenfahrer sind die Titelkämpfe unbedeutend, sie nehmen auch deshalb teil, um jungen Landsleuten zu helfen – das komplizierte FIS-Reglement lädt dazu ein.

Der Skandal von Davos

An Schweizer Meisterschaften werden FIS-Punkte vergeben, die über Startpositionen entscheiden, egal auf welcher Stufe. Zwei Ergebnisse pro Disziplin und Jahr gelangen in die Wertung, je tiefer der Wert, desto besser. 

Siegerinnen und Sieger der nationalen Titelkämpfe kriegen 20 FIS-Punkte, danach beginnt die kaum nachvollziehbare Rechnerei: Die Zähler der Nächstklassierten ergeben sich aus der Qualität des Teilnehmerfelds (relevant sind die besten fünf Starter), ob es diese in die Top 10 schaffen, und vor allem aus dem Zeitabstand zum Sieger. Im Riesenslalom gilt die Faustregel: 1010:Siegerzeit = Zuschlag pro Sekunde Zeitverlust. So weit, so kompliziert.

Daher haben Gisin und Meillard gebremst, eine Order von Swiss-Ski aber habe es nicht gegeben, heisst es. Der Fan wurde veräppelt und der sportliche Wert der Veranstaltung ad absurdum geführt. Etwas Verbotenes aber wurde nicht getan, im Gegenteil. Swiss-Ski-CEO Walter Reusser sagt: «Natürlich ist es speziell, wenn Fahrer bremsen. Aber es ist schön, wenn Stars zum Wohl der jüngeren Kollegen auf den Sieg verzichten.»

Wobei an FIS-Rennen immer mal wieder getrickst wird. Ein Skandal ereignete sich 2004 in Davos, als mit Marlies Oester und Corina Grünenfelder Athletinnen mit guten Weltranglistenpositionen in die Startliste geschmuggelt wurden, obwohl sie nicht vor Ort waren. In der Rangliste tauchten sie als Ausgeschiedene auf. Ein Juniorentrainer gestand die Manipulation, er wollte, dass seine Athletinnen vom Regelwerk profitieren. Und wurde entlassen.

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