Jussi Tapola hinterlässt schon früh Spuren beim SC Bern. Wo er Einfluss nimmt, wo er durchgreift – und welcher Spieler dem Berner Headcoach vieles erleichtert.
Der Captain spielt kein Powerplay mehr
Jussi Tapola hat nicht nur neue Assistenzcaptains bestimmt, sondern teilweise auch etablierte Rollen von Schweizer SCB-Spielern verändert. Simon Moser war früher im zweiten Powerplay-Block in der «Net-Front»-Position (direkt vor dem Goalie) gesetzt, doch nun hat der SCB-Captain nicht nur diese Rolle verloren (Joona Luoto nimmt sie neu ein), sondern grundsätzlich seinen Platz im Überzahlspiel. Kompensieren kann Moser die verlorene Eiszeit bislang mit noch mehr Einsatz im Penalty Killing. Tapola setzt dort vorerst nur auf zwei fixe Stürmer-Paare, Moser/Bader (und Fahrni/Baumgartner) kommen auf überdurchschnittlich viel Einsatzzeit in Unterzahl. Bislang mit Erfolg: Das SCB-Boxplay ist zu Saisonbeginn eine Erfolgsgeschichte.
Die Chancen für junge Stürmer
Die letzte Saison verpasste der damalige Neuzuzug Marco Lehmann wegen einer Virusinfektion fast komplett. Nun offeriert Tapola dem 24-jährigen Stürmer eine grosse Chance, indem er ihn im 2. Powerplay-Block als Spielmacher aufstellt. Oder ist Lehmann bloss Lückenbüsser für den verletzten Corban Knight?
Nicht zwingend: Der Kanadier erhielt letzte Saison in der KHL bei Awangard zwar am meisten Powerplay-Zeit seines Teams, allerdings nicht in der Spielmacher-Rolle, sondern meist «Net-Front» vor dem Tor. Lehmann bekommt hier wohl also eine ehrliche Chance offeriert, sich als Powerplay-Spieler in wichtiger Rolle zu etablieren.
Ähnliche Upgrades haben der 20-jährige Josh Fahrni (im 1. Powerplay-Block) und der 23-jährige Benjamin Baumgartner (im 2. Block) erhalten. Letzte Saison kaum (Baumgartner) oder gar nicht (Fahrni) im Überzahlspiel berücksichtigt, agieren beide jeweils auf der «Bumper»-Position in der Mitte der Powerplay-Formation. Letzte Saison war auf dieser Position der derzeit verletzte Colton Sceviour nicht nur gesetzt, sondern auch exzellent (mit 9 Powerplay-Toren 22/23 die Nummer 1 im SCB), er dürfte nach seiner Rückkehr einen der beiden jungen SCB-Stürmer wohl verdrängen.
Adam Reideborn, der Tor-Dieb
Das Spiel gegen Kloten (2:1) am Dienstag war zäh, die ersten beiden SCB-Partien hingegen attraktiv und ereignisreich. Und nach dem 4:1 gegen Lausanne liess sich auch beim 2:5 in Rapperswil (zwei Gegentreffer ins leere Tor) festhalten, dass Bern sich ein Chancenplus herausgespielt hatte. Dies sahen sowohl die Liga-Statistiker von 49ing so, wie auch die Analytiker von NL Ice Data, einer Datenbank, die auch von diversen NL-Clubs verwendet wird.
Der erste Vergleich zur Vorsaison fällt positiv aus. Ist er aber auch fair? Denn nicht nur die nun deutlich bessere Kadertiefe in der Abwehr hilft. Tapolas Vorgänger Johan Lundskog und Toni Söderholm dürften zudem neidisch auf die Werte eines neuen Berners schielen: Goalie Adam Reideborn. Gemäss dem Expected-Goals-Modell von 49ing hätte der Schwede nach drei Spielen bereits 10,77 Tore kassieren müssen statt nur deren 5. Der Schwede «klaute» also fast sechs Tore – eine unheimliche Zahl für nur drei Partien. Gerade gegen die Lakers liess der SCB viele (Solo-)Chancen zu, die bei einer bloss normalen Goalieleistung deutlich mehr Gegentreffer ergeben hätten. Es ist nach nur drei Spielen keine bahnbrechende Erkenntnis, darf aber dennoch nicht vergessen werden: Tapola und der SCB sind noch in der Findungsphase.
Der «Tappara»-Effekt
Tapola kam von Tappara Tampere mit dem Ruf des Defensiv-Coachs – dass der SCB bislang relativ viele Torchancen zulässt, dürfte kaum ein trotziges Zeichen des Finnen sein, weil er dieser Beschreibung vehement widerspricht … Wo man aber bereits Tendenzen Richtung «Tappara-Effekt» sieht, ist bei der Wechsel-Disziplin, die beim früheren Arbeitgeber zu Tapolas Markenzeichen gehörte und beim SCB letzte Saison ein Dauerproblem war. Die durchschnittliche Länge eines Shifts der SCB-Stürmer bei 5-gegen-5 ist mit 43 Sekunden deutlich kürzer als die 48 aus der Vorsaison. Es hilft natürlich, dass der Spieler mit dem Höchstwert von 22/23, Freigeist Chris DiDomenico (über 55 Sekunden!), nicht mehr dabei ist.
Der siebte Verteidiger
Jeder Coach hat seine Grundideen, zu jenen Tapolas gehört derzeit offenbar, mit nur sechs Verteidigern zu agieren. Dies freut die Abwehrspieler in den drei fixen Paaren, da sie stets in gutem Wechselrhythmus bleiben. Zum Leidtragenden wird der siebte Verteidiger, der kaum (Jesse Zgraggen in Spiel 1) oder gar keine Eiszeit (zweimal Mika Henauer) erhält. Wie das Newsportal «Watson» aus dem Umfeld Henauers erfuhr, soll dieser bereits mit Servette verhandeln.
Tapola dürfte sich davon kaum beeindrucken lassen. Dass er gewillt ist, seine Linie durchzuziehen, zeigte er zu Beginn des Schlussdrittels gegen Kloten. Nachdem Julius Honka, der wie auch Romain Loeffel einen fehlerhaften Abend einzog, gleich im ersten Shift unbedrängt zwei schlechte Aufbaupässe gespielt hatte, blieb der neue finnische Verteidiger bis zum Spielende ohne Einsätze.
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2023-09-20T15:11:20Z dg43tfdfdgfd