XAVI BLEIBT NUN DOCH BARçA-COACH – WIE DER FUSSBALLKLUB AUS DER NOT EINE TUGEND MACHT

Gespannte Erwartung durchbrach am späten Donnerstagmittag die Routine auf dem Trainingscampus des FC Barcelona im Vorort Sant Joan Despí. Eigentlich ist die Saison für die erste Mannschaft gelaufen, die Hoffnungen in der Champions League wurden mit dem 1:4 gegen Paris Saint-Germain in den Viertelfinals enttäuscht, jene in der Liga fünf Tage später durch ein unglückliches 2:3 bei Real Madrid.

Doch dieser wankelmütige Verein hat immer noch eine Volte parat, und so traten also der Präsident Joan Laporta und der Trainer Xavi Hernández vor die Mikrofone, um zu verkünden: dass sich alles ändere, damit alles beim Alten bleibt.

In anderen Worten: Drei Monate nachdem Xavi seinen Rücktritt zum Saisonende bekanntgegeben und eine Woche nachdem er seine Entscheidung zum x-ten Mal bekräftigt hat, gibt es nun die Rolle rückwärts – der Trainer wird nun doch seinen Vertrag bis 2025 erfüllen. «Eine sehr gute Nachricht für den Verein», sagte Laporta, «es ist passiert, was wir wollten.»

Xavi sieht sich als «home de club» – als treuen Diener des Vereins

Tatsächlich hatte der Präsident entgegen der Haltung mancher Einflüsterer nie die Hoffnung aufgegeben, Xavi noch von seiner ad hoc und unilateral getroffenen Entscheidung abzubringen. Endgültig gelang es ihm während einer Unterredung in seinem Haus am Mittwoch, «bei der wir im Prinzip schon bei der Begrüssung wussten, dass wir zusammen weitermachen wollen».

Vor den Medien legten beide wie in einer wiedergefundenen Liebe mit dem Sportdirektor Deco die Hände übereinander und knufften sich einmal sogar. Man wolle die «Flamme» der vergangenen Wochen aufrechterhalten, so Laporta.

In denen hatte Xavi ein Teilziel seiner Abschiedsankündigung erreicht: Die Mannschaft spielte aufgeweckter, befreiter und besser als noch im Herbst und Winter. Deshalb wurde ihr und Xavi in Klubbüros und der Öffentlichkeit zuletzt mit etwas mehr Wohlwollen begegnet.

Hatte Xavi bei seiner Rücktrittsankündigung noch über «Respektlosigkeiten» und «Verschleiss der mentalen Gesundheit» geklagt, sagte er nun: «Das Umfeld wird in bestimmten Situationen weiterhin grausam und unangenehm sein. Aber ich spüre genug Kraft, ein Projekt weiterzuführen, das noch nicht zu Ende ist.»

Xavi, das betonte er immer wieder, versteht sich als «home de club», als treuer Diener des Vereins. Und – das ist die nichtoffizielle Lesart des abgebrochenen Abschieds – dieser Verein steht finanziell weiterhin so schlecht da, dass er sich einen Trainer mit Transferkosten wie die international hoch Gehandelten Roberto De Zerbi (Brighton) oder Rúben Amorim (Sporting Lissabon) schlicht nicht leisten konnte.

Preiswertere frühere Klubspieler wie der Trainer der zweiten Mannschaft, Rafael Márquez, oder Thiago Motta von Italiens Überraschungsteam Bologna galten hingegen wegen ihrer noch jungen Karrieren als zu hohes Risiko. Auch Deutschlands Nationaltrainer Julian Nagelsmann – der mittlerweile mit dem Deutschen Fussball-Bund verlängert hat –, der scheidende Bayern-Coach Thomas Tuchel oder der vereinslose Hansi Flick überzeugten trotz dem kolportierten Faible von Laporta für die deutsche Trainerschule nicht hinreichend; zumal das schwierige Barça-Milieu für Neuankömmlinge schon in besseren Zeiten als ultimative Herausforderung gilt.

Von Laporta ist überliefert, nach welchem Muster er seine Trainerentscheidungen zu treffen pflegt: Entweder soll es der Beste aus dem eigenen Verein sein oder der Beste auf dem Markt. So stellte er sein Präsidium 2008 vor die Wahl zwischen Josep Guardiola (damals Trainer der zweiten Mannschaft) und José Mourinho (damals ohne Job). Was folgte, ist bekannt, Guardiola avancierte zum Architekten von Barças bester Ära.

Durch Xavis Verbleib im FC Barcelona verliert das kontinentale Trainerkarussell stark an Umdrehungen

Die Erwartung, dass sich die Geschichte mit dem damaligen Spielgestalter Xavi wiederholen könnte, blieb bisher unerfüllt; nicht zuletzt seine Unbeherrschtheit am Seitenrand mit häufigen Platzverweisen kennzeichnet ihn noch als lernbedürftigen Novizen.

Doch mit der gewonnenen Meisterschaft der Vorsaison und der Integration von jungen Eigengewächsen wie Gavi, Fermin López, Lamine Yamal oder zuletzt Pau Cubarsí hat er zumindest genügend Meriten erworben, um weiterhin das hauseigene Ranking anzuführen.

Der Beste auf dem Markt – und zumal der deutschen Schule – wiederum ist zwar bald arbeitslos, aber noch nicht verfügbar: Jürgen Klopp will nach seinem bevorstehenden Abschied in Liverpool erst einmal ein Sabbatical einlegen. Er wird das auf Mallorca tun, wo er gerade ein prächtiges Haus renoviert hat.

Es könnte sich also lohnen, erst einmal darauf zu warten, wie es ihm in der Ruhepause so ergeht, denn der charismatische Team-Builder Klopp dürfte als Idealbesetzung gelten, sollte er nach Dortmund und Liverpool den nächsten Traditionsklub wachküssen wollen. Zudem wohnt er nicht weit von Palmas Flughafen; die Reise von dort nach Barcelona dauert gerade einmal eine halbe Stunde.

Doch das ist höchstens Zukunftsmusik, wenn überhaupt. In der Gegenwart verliert das kontinentale Trainerkarussell durch Xavis Verbleib stark an Umdrehungen. Da der FC Bayern kurz vor dem Vertragsabschluss mit Österreichs Nationaltrainer Ralf Rangnick zu stehen scheint, nimmt das Tableau bereit sehr konkrete Formen an: Von den europäischen Spitzenklubs wäre dann nur noch Liverpool ohne vertraglich gebundenen Übungsleiter für nächste Saison.

2024-04-25T14:57:05Z dg43tfdfdgfd