ZERMATT LäSST SKIPROFIS IM SOMMER NICHT MEHR AUF DEM GLETSCHER TRAINIEREN. ODER IST ALLES NUR EIN BLUFF?

Die Drähte liefen heiss: Am Montagabend hat die Spitze des Schweizer Skiverbandes Swiss Ski von den weitreichenden Plänen der Zermatt Bergbahnen erfahren – und alles unternommen, um deren Verantwortliche noch umzustimmen.

Vergeblich. Die Schweizer Skiprofis – wie auch ihre Kollegen von ausländischen Teams – dürfen bereits ab diesem Sommer nicht mehr auf den Zermatter Pisten trainieren. Für Marco Odermatt, Lara Gut-Behrami und die anderen über hundert Mitglieder des Schweizer Elitekaders ist dies ein herber Schlag: Zwar trainieren sie im (europäischen) Sommer auch auf dem Gletscher von Saas-Fee und in Patagonien, aber gemäss einhelliger Meinung bietet das Skigebiet am Fusse des Matterhorns die besten Bedingungen.

Hintergrund der drakonischen Massnahme ist ein kürzlich erfolgter Entscheid des Internationalen Skiverbandes (FIS): Er nahm die für November geplanten vier Weltcup-Rennen aus dem Kalender der Saison 2024/25. Dies, nachdem die Schweizer Premium-Destination in den vergangenen zwei Jahren von Wetterpech verfolgt war: 2022 mussten die grenzüberschreitenden Rennen wegen Schneemangels abgesagt werden. 2023 hatte es mehr als genug Schnee, dafür war der Wind zu stark.

2025 wollen die Bergbahnen den Entscheid nochmals prüfen

In beiden Jahren konnte nur gerade ein Training regulär durchgeführt werden. Die unsicheren Bedingungen und der dichte Terminplan führten dazu, dass sich in diesem Frühjahr auch eine Mehrheit der Athleten gegen die Zermatter Rennen ausgesprochen hat – beeinflusst möglicherweise auch von der Polemik, welche die Baggerarbeiten auf dem Gletscher ausgelöst hatten.

Wo aber liegt der Zusammenhang zwischen der Saisonplanung der FIS und den Trainingsmöglichkeiten für Profi-Skifahrer? Bei der Lektüre des unmissverständlich formulierten Communiqués kommt man nicht umhin, den Entscheid als Trotzreaktion und Druckversuch an die Adresse der FIS zu interpretieren. Schliesslich wollen die Bergbahnen Zermatt den Sommer 2025 «analog zu den Entscheidungen der FIS neu beurteilen». Sprich: Nimmt der Verband die Rennen wieder in den Kalender auf, darf wohl auch wieder trainiert werden.

Von einer Retourkutsche will der Bergbahn-Verwaltungsratspräsident Franz Julen allerdings nichts wissen: «Das weise ich vehement zurück. Wir handeln nicht trotzig, sondern konsequent. Die Spitzenathletinnen und -athleten haben unser Angebot abgelehnt. Deshalb sind die Nachwuchsfahrer aller Nationen und die Regionalverbände bei uns noch stärker willkommen als in der Vergangenheit», sagt er. Julen verhehlt allerdings nicht, dass er sich vonseiten der Schweizer Athleten mehr Unterstützung für die Zermatter Rennen erhofft hätte – «nach all dem, was wir in den letzten Jahrzehnten für den Skirennsport gemacht haben», wie er sagt.

In der Tat ist das Sommertraining auf dem Zermatter Gletscher ein Fixpunkt fast aller ambitionierten Skinationen. Diese haben nun also ein gröberes Problem – allen voran das Schweizer Nationalteam. Es genoss bisher gewisse Privilegien, etwa Pistenzugang bei den besten Wetterbedingungen und mit einer grösseren Equipe. Diesen Sommer wären die Trainingseinheiten im Vergleich zum Vorjahr sogar noch ausgebaut worden. Die Hotelzimmer waren bereits gebucht.

Gibt die Schweiz ungezwungen einen Trumpf aus der Hand?

Entsprechend konsterniert ist man nun bei Swiss Ski. «Der Entscheid ist für uns äusserst schmerzhaft. Aus unserer Optik gibt es eigentlich nur Verlierer», sagt der Alpin-Direktor Walter Reusser. Nun müsse man notgedrungen umplanen. Will heissen: wohl mehr Training in Übersee und in Saas-Fee. Zumindest für die Speed-Disziplinen kommen jene Destinationen allerdings nicht an die Vorzüge der Matterhornpisten heran.

Bestrafen die Zermatter Bergbahnen mit ihrem Entscheid also ausgerechnet die «eigene» Skination überdurchschnittlich? «Ich mache mir keinerlei Sorgen um die mittelfristigen Erfolgsaussichten», sagt Julen. Das Kader sei derart breit und mit gutem Nachwuchs bestückt, dass es auch ohne das Zermatter Sommertraining erfolgreich sein werde.

Geht ein Wettbewerbsvorteil verloren, profitieren davon im Umkehrschluss die Konkurrenten. In Österreich mag man sich freilich nicht freuen. «Der Entscheid ist für die ganze Skiwelt bedauernswert. So ein Vorteil ergibt sich nicht aus einer Saison», sagt Herbert Mandl, der sportliche Direktor des österreichischen Skiverbandes. Seine Mannschaften hätten dieses Jahr im Spätsommer in Zermatt haltmachen wollen – und müssen nun ebenfalls umplanen. Auch finanziell könne man nicht von einer willkommenen Entlastung sprechen. «Mit den Flugreisen und dem ganzen Material ist auch Training in Südamerika teuer», sagt er.

Anderswo reagiert man, hinter vorgehaltener Hand, ungläubig auf die Nachricht aus der Schweiz. Eine gut informierte Person fragt sich, ob es wirklich möglich ist, dass die Schweiz ungezwungen einen derartigen Trumpf aus der Hand gibt – oder ob Zermatt nun einfach ein Zeichen setzen will und letztlich dann doch einlenken wird.

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