ZUM TOD VON TOTò SCHILLACI: ER TANZTE NUR EINEN SOMMER LANG UND WURDE UNSTERBLICH

Totò Schillaci ist am Mittwoch mit nur 59 Jahren an den Folgen eines Krebsleidens gestorben. Sechs WM-Tore und ein emotionaler Jubel reichten dem Sizilianer, um unsterblich zu werden.

Es war ein italienischer Sommer – «un'estate Italiana» – ein unvergesslicher. Noch heute, wenn Gianna Nannini mit Edoardo Bennato im Radio den WM-Hit von damals singt, kommen augenblicklich die Bilder wieder hoch. Roger Milla, wie er mit der Eckfahne tanzt. Frank Rijkaard, wie er Rudi Völler den Rotz in die Locken spuckt. Andy Brehme, wie er im Final den Penalty für Deutschland zum Sieg versenkt. Der ausgebuhte Diego Maradona, wie er bei der Pokalübergabe Tränen weint … und natürlich die weit aufgerissenen, wunderschönen Augen von Salvatore Schillaci, den ganz Italien liebevoll Totò nannte.

Totò war der Held in diesem Sommer 1990. Die WM war seine grosse Bühne, sein Wundergarten. Sechs Tore erzielte er. Eines davon im Halbfinal gegen Argentinien, das nicht ausreichte, um in den Final zu kommen, weil Italien im Penaltyschiessen verlor, ausgerechnet im Maradona-Land Napoli. Im Spiel um Rang 3, dem kleinen Final, legte Toto noch einen drauf und wurde Torschützenkönig. Sechs Tore für die Ewigkeit. Den Namen Schillaci wird kein italienischer Fussballfan je vergessen.

20 Monate nach dem Tod von Vialli

Jetzt ist Totò tot. Und weit über Italien hinaus wird getrauert. Wieder haben die Azzurri einen Helden verloren. Im Januar 2023 starb Gianluca Vialli mit 58 Jahren, der mit Totò Schillaci an der WM 1990 zusammen stürmte. Nun hat der Krebs auch Totò geholt. Er wurde nur ein Jahr älter als Vialli. 

Schillaci stammte aus dem armen Süden Italiens, aus Palermo, aus einem Stadtteil ohne grosse Zukunftschancen für die Heranwachsenden. Totò machte bei einem Reifenhersteller eine Lehre, die er abbrach. Er sah seine Chance als Fussballer. Bei Messina in der Serie B machte er erstmals national auf sich aufmerksam. Ein Jahr vor der WM im eigenen Land wechselte der Junge vom armen Süden ins Reichenhaus nach Turin. Viele Fans der alten Dame rieben sich verwundert die Augen, doch Juve gewann mit Schillaci den Cup und den Uefa-Pokal. Das brachte dem Stürmer das Ticket für die WM ein, wenige Monate zuvor noch undenkbar. Allerdings sollte er keine gewichtige Rolle spielen im Kader von Azeglio Vicini. Schillaci war bloss als Ersatz vorgesehen. Vor dem Turnier hatte er ein einziges Länderspiel bestritten. Ein Grossteil der italienischen Fans kannte ihn kaum.

Doch Totò explodierte – wie Paolo Rossi 1982 – quasi aus dem Nichts. Im Eröffnungsspiel gegen Österreich in Rom taten sich die Italiener schwer. In der 74. Minute wurde Schillaci für Andrea Carnevale eingewechselt. Vier Minuten später stand es 1:0 für die Azzurri. Vialli hatte von rechts geflankt, Schillaci den Ball ins Tor geköpfelt. Italien siegte 1:0. Es war der Anfang von Totòs phänomenalen Höhenflug, der nur einen Sommer lang dauerte.

Mit seinem Jubel öffnete er Herzen

Totò spielte nach der WM zwar weiter bei Juve, wechselte später zu Inter und war schliesslich der erste Italiener in Japans J-League, doch nie wieder war er so gut wie damals «sotto il cielo di un'estate italiana», unter dem Himmel eines italienischen Sommers. Er verschwand, wie er gekommen war, und blieb doch. In aller Erinnerung, mit seinen Toren, noch mehr mit seinem Jubel, die Arme ausgebreitet, die Augen weit aufgerissen, als wäre ihm die eigene Verwunderung ins Gesicht geschrieben, als würde er selber nicht glauben, welches Märchen er da gerade schrieb. Er hat die Herzen der Menschen im Sturm erobert – nicht nur die der Italiener.

Nach der Karriere blieb Schillaci weiter im Gespräch, wenn auch auf Nebenschaubühnen, als Teilnehmer der italienischen Version des Dschungelcamps oder als Politiker in der Partei des früheren Milan-Bosses Silvio Berlusconi (1936–2023). In Palermo leitete er zuletzt eine Fussballakademie, da hatte ihn der Krebs bereits im Griff. Wie so viele Menschen hat er den Kampf schliesslich verloren. Dieser verdammte Krebs ist unerbittlich. Am Mittwochmorgen machte er in einem Spital in Palermo seinen letzten Atemzug. «Salvatore», was übersetzt «der Erlöser» heisst, wurde nun selber von seinem Leiden erlöst. «Buon viaggio, Totò», gute Reise.

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