«DER FC BASEL – DAS IST KEIN SCHWEIZER CLUB»

Fabio Celestini spricht über die Faszination FCB, erklärt sein krachendes Scheitern in Sitten – und sagt, was er an Typen wie David Degen oder Christian Constantin schätzt.

Fabio Celestini, Ihr Nachname entspringt dem Italienischen. Sprechen Sie ihn italienisch aus?

Ja. Meine Familie stammt aus Umbrien in Italien. 1972 kam sie in die Schweiz, und seit ich 19 bin, habe ich die schweizerisch-italienische Doppelbürgerschaft.

Spricht man den Namen in der Romandie aber auf französische Weise aus?

Teilweise schon. Für mich stimmt beides.

Ist Ihr Italienisch so perfekt wie Ihr Französisch?

Ja. Wie auch mein Spanisch. Ich habe aber hin und wieder Probleme mit dem Wechsel zwischen Deutsch und Englisch. Nachdem ich beispielsweise einige Worte mit Jonas Adjetey auf Englisch gesprochen habe, wird manchmal sogar ein “Guten Tag” zur Herausforderung.

Das Training leiten Sie aber auf Deutsch.

Hauptsächlich. Es kann vorkommen, dass ich einen Satz auf Deutsch beginne und auf Spanisch beende. Da ich aber mit Emotionen und dem Körper spreche, verstehen die Spieler immer, was ich sagen will.

Haben Sie Deutschunterricht genommen?

Nur in der Schule. Danach habe ich es gelernt, indem ich es gehört habe. Zum Teil habe ich mit Apps spezifische Wörter, wie etwa das Umschalten, recherchiert.

Ist die Sprache dennoch hin und wieder ein Problem?

Mit den Spielern eigentlich nicht. Mit den Medien ist es schwieriger. Wenn meine Worte nicht ganz exakt sind, ist es für diese natürlich ein Leichtes, daraus eine Headline zu machen. Denn primär sind die Leute nicht an meiner Arbeit interessiert. Sondern sie wollen etwas Pikantes, um Zeitungen zu verkaufen.

Fühlen Sie sich als Schweizer oder als Italiener?

Weder noch. Auch nicht als Spanier, Franzose oder Panamaer. Ich bin Teil dieser Welt.

Woher kommt der Bezug zu Panama?

Von meiner zweiten Frau. Sie lebt dort zusammen mit meiner Tochter.

«Wir bräuchten ein separates Interview, um mein Privatleben zu erklären.»

Ihr Privatleben scheint verzweigt.

Ja, wir bräuchten ein separates Interview, um es zu erklären. (lacht) Aber man muss Entscheidungen treffen. Und eine der Konsequenzen daraus ist, dass ich meine Tochter nicht immer dann sehen kann, wenn ich will. Ähnlich ist es auch mit meinen beiden erwachsenen Söhnen aus meiner ersten Ehe, zu denen ich eine fantastische Beziehung habe. Sie wohnen in Lausanne und kommen oft zu den Spielen.

Wohnen Sie zurzeit noch immer im Hotel?

Ja. Dort habe ich mittlerweile einige Freunde gefunden. (lacht) Meine Freundin hat mir ein paar Kleider gebracht, da ich anfänglich nur eine kleine Tasche dabeihatte. Ab Dienstag habe ich aber eine Wohnung. Dann beginnt mein normales Leben in Basel.

Was haben Sie in der Zeit zwischen Ihren Jobs in Sitten und Basel gemacht?

Vieles. Ich habe mir mit etwas Abstand überlegt, was passiert ist, und mir auf einem Blatt notiert, was gut lief, was weniger gut lief, was ich verbessern will und was ich verändern will. Danach reiste ich für einen Monat nach Miami, war aber immer wieder in der Schweiz und in Valencia zugegen, wo zuletzt mein Lebensmittelpunkt war. Auch habe ich mehr Zeit mit meiner Familie verbracht.

Warum hat es in Sitten nicht funktioniert?

Christian Constantin hat es damals sehr gut gesagt. Ich hatte als Trainer nicht die gleichen Werte wie die Mannschaft. Meine lauten Arbeitskultur, Disziplin, Ambition, Entwicklung. Nach diesen Werten, die mir mein Vater mitgegeben hat, richte ich auch mein Leben aus. Sie haben mich zu jenem Schweizer Spieler gemacht, der in der Geschichte die meisten Spiele in La Liga bestritten hat. Und damals war La Liga die beste Meisterschaft der Welt. Mit meinen fussballerischen Qualitäten allein wäre das nicht möglich gewesen. Also habe ich gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet.

Haben Sie in Sitten schnell festgestellt, dass es nicht funktioniert?

Nach einer Woche war mir klar, dass es nicht passt und ich gehen müsste.

Warum haben Sie es nicht gemacht?

Weil ich ein Kämpfer bin. Und weil man manchmal glaubt, man könne mehr bewirken, als eigentlich möglich ist. Das hat mich enttäuscht, denn mit Constantin und dem Staff hatte ich eine sehr gute Zeit.

Wenn die Resultate nicht stimmen, dann steht Constantin trotzdem rasch auf der Matte und ist schnell mal Schluss.

Ja, aber wenn die Werte nicht stimmen, dann stimmen auch die Resultate nicht. Fussball ist nicht Glück oder Pech. Fussball ist mathematisch, hat seine Logik. Auch das allerletzte Gespräch war einwandfrei. Ich kann wirklich nichts anderes behaupten. Wir waren immer ehrlich miteinander gewesen, und wir haben gesehen, dass es nicht funktioniert.

«Ich konnte in Sitten lernen, dass ich nicht Superman bin.»

Konnten Sie denn etwas lernen aus der Erfahrung?

Ja! Ich konnte in Sitten lernen, dass ich nicht Superman bin. Sondern ein Trainer – und damit der fragilste Teil eines Clubs.

Spüren Sie in der Basler Mannschaft diese Werte, die Sie in Sitten vermissten?

Es ging alles sehr schnell und war auch veränderlich. Aber ich kann auf jeden Fall sagen, dass mein Gefühl hier ein ganz anderes ist. Ich habe alles, was ich brauche. Und es ist das erste Mal, dass im und um den Club alles absolut gut ist – abgesehen vom Tabellenplatz natürlich. Es ist das erste Mal, dass ich das Gefühl habe, dass ich als Trainer in einem Club bin, der sich so anfühlt wie das, was ich in meiner Karriere als Spieler bei Getafe oder Marseille gefühlt und gelebt habe.

Wie meinen Sie das?

Der FC Basel – das ist kein Schweizer Club. Der FCB, das ist wie ein Club aus einer der grossen fünf europäischen Ligen. Was ich meine: Nachdem meine ersten Trainerstationen in Spanien und Italien waren, staunte ich, als ich zu Lausanne kam und wir keine Trainingsleibchen oder Hütchen hatten. Ich habe meinen Spielern sogar Unterhosen gekauft. Lugano war dann menschlich top, aber die Infrastruktur war schwierig. Da mussten wir unser Trainingsfeld mit anderen Teams teilen. In Basel schauen alle für dich. Da kommen vor dem Training vier Personen mit vier Rasenmähern. Und wenn ich sie darum bitte, kurz damit aufzuhören, damit die Spieler meine Ansprache verstehen, dann stellen sie die Motoren ab und lächeln dir zu. In Luzern wurde mir in so einer Situation einfach beschieden, dass man bis halb zehn durch sein müsse – denn danach habe man Pause. Ich spreche auch von Kriens. Von diesem 1:0-Sieg im Cup, wo uns 2000 Basler Fans unterstützten – und danach eine Stimmung herrschte, als hätten wir die Champions League gewonnen.

Sie brauchen diesen Professionalismus?

Es geht auch anders. Aber ja, es ist das, was ich als Spieler immer gelebt habe. Und als Trainer habe ich Mühe damit, wenn rund um die Mannschaft etwas nicht diesem Anspruch genügt.

Sion war im Winter Tabellenletzter, als Sie kamen – so wie jetzt der FCB. Zögerten Sie nicht, als die Anfrage kam?

Ich war zwar etwas überrascht. Aber nein, ich zögerte keine Sekunde. Der FCB ist der beste Verein der Schweiz, da gibt es für mich keine Zweifel. Du kannst ihm unmöglich absagen. Völlig egal, in welcher Situation er sich befindet. Und ich denke auch, dass die Herausforderung eine andere ist. Ich bin im Oktober Trainer geworden und nicht im Februar oder Januar. Wir müssen viel arbeiten. Aber ich glaube, wir haben die Möglichkeit, die Dynamik zu ändern und in dieser Meisterschaft noch etwas zu erreichen.

Basel hat ja schon einmal nach Ihnen gerufen, im August 2020, noch in der Ära von Bernhard Burgener als Clubbesitzer. Woran lag es, dass die Zusammenarbeit nicht zustande kam?

Ich weiss es nicht. Es stimmt, ich führte zwei Gespräche, unterhielt mich mit Ruedi Zbinden, der damals Sportdirektor war. Ich hatte auch das Gefühl, dass es ein guter, aussichtsreicher Austausch war.

Und dann gabs einfach einen Anruf von Zbinden und ein Sorry?

Keinen Anruf, sondern eine Textnachricht. Sie war schon etwas länger (hält die Hände zusammen und fährt dann mit der rechten Hand nach oben) – aber genau so könnte man sie zusammenfassen: Sorry!

Wie gut ist das Team, das Sie zurzeit trainieren?

Es ist eine Mannschaft mit Potenzial. Potenzial schwirrt aber irgendwo in der Luft herum, Potenzial hatte Sion auch. Damit allein, ohne Werte, nützt das nichts. Im Moment kann ich noch nicht einschätzen, wie weit ich mit dieser Mannschaft kommen kann.

Wie ist es, mit so vielen jungen Spielern zu arbeiten?

Wenn es so läuft wie zuletzt, dann ist eines klar: Erfahrene Spieler wissen viel eher, wie sie sich selbst aufrichten können. Junge Spieler sind schneller verunsichert und machen Fehler. Gerade deshalb arbeite ich viel individuell mit den Spielern und führe Gespräche mit ihnen. Thierno Barry zum Beispiel kommt aus der zweiten belgischen Liga und trägt jetzt die Verantwortung, diesem grossen FC Basel aus der Krise zu helfen. Das verursacht einen anderen Druck als denjenigen, den er zuvor kannte.

Was sagt man solchen Spielern, damit sie aus der Blockade rauskommen?

Jeder Mensch findet seinen Antrieb woanders. Ich muss also meine Spieler als Menschen kennen lernen, und erst dann kann ich versuchen, etwas zu bewirken.

«Ich habe nie Probleme mit ehrlichen Personen. David Degen spricht ohne Filter, und das ist fantastisch.»

Ihr Verhältnis mit Constantin war sehr eng. Nun hat der FC Basel ebenfalls einen leidenschaftlichen Präsidenten. Wie nahe darf ein Präsident in Ihrer Arbeit sein?

Ich habe David nach seiner Schulteroperation angerufen und gesagt: Wenn er irgendwelche Fragen, Zweifel oder Unklarheiten hat, soll er sofort zu mir kommen. Ich habe nie Probleme mit ehrlichen Personen. David spricht ohne Filter, und das ist fantastisch. Für mich ist es viel schwieriger, wenn ich nicht weiss, was jemand denkt.

Mit Christian Constantin und mit Angelo Renzetti war es so. In Luzern nicht?

In Luzern waren die Gespräche viel ruhiger, alles war mehr formell. Auch so kann es funktionieren. In Luzern hat mich einzig die letzte Sitzung absolut enttäuscht. Darüber, was genau passiert ist, will ich nicht sprechen. Was in der Sitzung ist, bleibt in der Sitzung. Wer dabei war, weiss ja, wovon ich rede.

Warum haben Sie Martin Rueda als Assistenztrainer geholt?

Er hat viel Erfahrung. Er kennt die Meisterschaft hier. Und er spricht eine Sprache mehr als ich, was mich natürlich etwas sauer macht. (grinst) Hinzu kommt etwas ganz Wichtiges: Er hat Mut und sagt: Fabio, nein!

Er widerspricht Ihnen also …

Ja, dann, wenn er es anders sieht. Das ist extrem wichtig. Du brauchst im Staff ehrliche Meinungen, sonst funktioniert es nicht. Und es bedeutet umgekehrt auch etwas anderes: Bestätigung. Er sagt nämlich auch ehrlich: Fabio, ich finde das eine gute Idee.

Sie brauchen diese Bestätigung?

Natürlich. Wer nicht? Wissen Sie: Als Trainer hast du jede Sekunde deine Zweifel, zumal du ja den ganzen Tag entscheidest, entscheidest, entscheidest. Behauptet ein Trainer, er habe keine Zweifel, dann lügt er.

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