FREITAGSABRECHNUNG VON JOSEF SEITZ - NACH EINEM TV-TRIP IN DEN US-WAHLKAMPF FREUE ICH MICH üBER LANG, SCHOLZ UND SPAHN

Wenn ich Ricarda Lang liebe, mich Jens Spahn beeindruckt und Olaf Scholz mit seiner Offenheit fasziniert: Dann muss schon viel passiert sein. Oder einfach nur ein TV-Trip hinüber in den US-Wahlkampf, wo sich das Fernsehen auf Kamala Harris einschießt.

Sommerzeit. Ferienzeit. Entspannungszeit? Leider nicht. Ich habe einen Fehler gemacht. In tiefer Verzweiflung über unser deutsches Fernsehangebot habe ich mich mit der Fernbedienung in der Hand weit und weiter vorgewagt.

Sie kennen das Problem. ARD und ZDF sind seit Wochen wenig mehr als Spartenprogramme für Sportfreunde. Erst läuft Fußball-EM in Endlosschleife, garniert von Wiederholungen.

Jetzt besteht die Welt nur noch aus Olympischen Spielen, flankiert von Uralt-Spielfilmen. Aktueller Talk? Sogar Lanz mag mich nicht mehr zu später Stunde um den Schlaf bringen.

Die Ruhelosigkeit erfasst also den Zeigefinger. Auf der Fernbedienung geht es aus Deutschland hinaus in die Welt, über den großen See, hinüber in die USA. Und ich stelle fest: Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist zu einem Land der absurden Möglichkeiten geworden.

Trump nur mehr eine Nasenlänge vor Kamala Harris?

Auf dem Weg zum sicher geglaubten Comeback mit der US-Wahl am 5. November sieht sich Donald Trump einer ernsthaften Mitbewerberin gegenüber.

Urplötzlich kann der Möchtegern-Präsident nicht mehr mit seinen vermeintlich jugendlichen 78 Jahren punkten, weil sich eine Rivalin aus der U-60-Liga warmläuft.

An die Stelle eines augenscheinlich greisen Joe Biden, der seine Satzenden im Nirgendwo verstolpert, tritt eine wortgewandte Kamala Harris voller Angriffslust.

Und schon sieht zumindest nach einer Umfrage der „New York Times“ alles nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus – Donald Trump liegt darin mit 48 Prozent nur mehr eine Nasenlänge vor Kamala Harris mit 46 Prozent Zustimmung. Und wie reagiert das US-Fernsehen? Die Antwort lautet: hysterisch.

Was verstimmt den Magen mehr als zehn Hamburger?

„Sie wird unser Land zerstören, wenn sie jemals gewählt wird“: So hat Donald Trump die Tonalität gegenüber Kamala Harris bei einer Wahlveranstaltung vorgegeben.

Was also erfährt der geneigte Fernsehzuschauer? Kamala Harris will Plastikstrohhalme verbieten – oh God! Kamala Harris lacht, und das öffentlich – die ist doch nicht zurechnungsfähig! Kamala Harris verstolpert vor Studenten ihre Sätze noch mehr als der 81-jährige Joe Biden – fängt Demenz so früh an?

Der Zuschauer erlebt den Beginn einer Kakophonie der schrillsten Töne, die sich nicht einmal vorgeblich mit der Fähigkeit zur Politik beschäftigen, sondern nur die Persönlichkeit beschädigen. Nach einer Stunde schlägt das einem Europäer mehr auf den Magen, als zehn Hamburger in kurzer Folge.

Tiefenentspannt – oder schon sediert?

Ich gebe zu: Nach meiner TV-Reise kehre ich versöhnt zurück zu meinen deutschen Politikern in den deutschen Fernsehsendern. Gelassen übersehe ich die Kühnheit, mit der sich Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang auf dem Grünen Hügel von Bayreuth bei den Wagner-Festspielen zeigt.

Ich schaue CDU-Mann Jens Spahn in die weit aufgerissenen Augen, als er bei Maybrit Illner vor der Sommerpause von seinem Trip zu Trumps Nominierungsparteitag in Milwaukee berichtet – und sich als Verteidiger des US-Präsidenten profiliert:

„2018 war’s, wo Donald Trump in der UN-Vollversammlung zu Deutschland gesagt hat: ,Passt auf, ihr seid zu abhängig von Russland, das werdet ihr nochmal teuer bezahlen!‘“

Am Ende freue ich mich auf zu Hause

Und ich schaue, irgendwo zwischen tiefenentspannt und schon sediert, einem Olaf Scholz zu, wie er sich bei Johannes B. Kerner auf den grünen Sessel setzt und Politik als Programm für den Tiefschlaf präsentiert.

Zumindest die Kunst hat er bei seiner Vorgängerin Angela Merkel gut gelernt. Wunderbar  bleibt dieser Dialog im Ohr. „Was ist das Schöne am Urlaubmachen?“, fragt Johannes B. Kerner.

„Auch mal nichts tun können“, gibt Scholz zur Antwort. „Können Sie das?“ Und der Bundeskanzler sagt den schönen Satz: „Das kann ich.“ Ist das nicht allerliebst, wenn der führende Politiker des Landes so entspannt über seine Fähigkeit plaudert, dass er gar nichts tun kann?

Willkommen zurück in Deutschland! Es ist wie so oft, wenn einer eine Reise tut: Am Ende freue ich mich auf zu Hause.

2024-07-26T12:57:41Z dg43tfdfdgfd