WILLKOMMEN ZURüCK IM ALLTAG: DIE SCHWEIZER FUSSBALLER ZEIGEN NERVEN

Hart und schmerzhaft war die Landung, welche die Schweizer im Kopenhagener Stadion Parken zu verarbeiten hatten. Das 0:2 mit zuletzt nur noch neun Feldspielern auf dem Platz ist die Rückkehr in den Alltag einer Schweizer Nationalmannschaft, die nach dem Höhenflug an der EM in Deutschland erkennen muss, dass sie vielleicht doch nicht ganz so reif ist, wie Euphoriker mit Blick auf die kommenden Aufgaben im schönen Juli noch zu behaupten wagten.

Wie meistens, wenn den Schweizern Ungehörigkeiten passieren, war es der Captain Granit Xhaka, der im Zentrum der Nachbearbeitung stand. Gegen Mitternacht stellte sich Xhaka den wartenden Journalisten und gab seine Sicht der Dinge zum Besten. Er war kurz vor Schluss als zweiter Schweizer nach einem Foul vom Platz geflogen, danach erzielten die Dänen das zweite Tor zum 2:0. «Was wollt ihr hören?», war Xhakas Antwort auf eine der ersten Fragen.

Doch es war nur ein kurzer Moment, in dem Xhaka in sein altes Muster der Provokationen und der Wut zurückfiel. Vor allem in der letzten Saison mit Bayer Leverkusen hat er schliesslich bewiesen, dass er seine Emotionen besser zu steuern gelernt hat. Xhaka sagte über sein unnötiges Foul am dänischen Captain Pierre-Emile Höjbjerg: «Dass es nicht passieren darf, weiss ich auch. Aber es gibt leider Momente, da verliert man sich. Das ist bitter für mich selbst. Und bitter für die Mannschaft.» Am Freitag entschuldigte sich Xhaka auf Instagram für seinen Aussetzer.

Den Schweizern fehlte die Klasse, Widerständen zu trotzen

Kurz nach der Pause war bereits Nico Elvedi vom Platz gestellt worden. Das brachte die Mannschaft von Murat Yakin aus dem Gleichgewicht und stand am Anfang des Aussetzers des Captains Xhaka. Der deutsche Schiedsrichter Daniel Siebert hatte auf Geheiss des Videoschiedsrichters den Sturz Elvedis auf Kasper Dolberg als Foul taxiert, obwohl der Däne Elvedi mit eingeklemmtem Arm zu Boden gerissen hatte. Der Entscheid war falsch. Aber Fehler passieren. Eine reife Mannschaft und ein reifer Captain müssten damit umzugehen wissen. Den Schweizern fehlte die Klasse, Widerständen zu trotzen und die Nerven zu behalten.

Es sah lange danach aus, als würden die Schweizer über ebendiese Qualitäten verfügen. Bis in der 82. Minute der eingewechselte Patrick Dorgu für die Dänen das 1:0 erzielte und eine gehässige Schlussphase anfing mit Xhaka im Mittelpunkt. Nach dem Gegentor beschwerte sich Xhaka bei Höjbjerg darüber, dass die Dänen nicht das Spiel unterbrochen hatten, obwohl Breel Embolo am Boden lag. Das habe nichts mit Respekt und Fairplay zu tun gehabt, sagte Xhaka nach dem Spiel. Dass er vor dem Gegentreffer, statt wild zu gestikulieren, auch die Möglichkeit gehabt hätte, die Abwehr zu organisieren und den Gegentreffer zu verhindern, fiel Xhaka nicht ein. Als Höjbjerg in der 92. Minute das 2:0 erzielte, wirkte es wie ein höhnischer Kommentar auf Xhakas Verhalten.

Der Schweizer Trainer Murat Yakin stärkte seinem wichtigsten Spieler den Rücken. «Es kam einiges zusammen, ich kann verstehen, dass Granit verärgert war», sagte Yakin. Auch der Schweizer Trainer hielt sich nach dem Spiel mehr über die Schiedsrichterleistung und das Verhalten der abgebrühten Dänen auf als über die Darbietung der eigenen Mannschaft. Dabei hatte Yakin viel dafür getan, dass die Schweizer möglichst rasch Anschluss finden an das Energielevel und die Stilsicherheit an der Europameisterschaft in Deutschland. Doch sein Plan wurde durchkreuzt.

So überraschte Yakin damit, dass er in der Startformation keine Überraschung parat hatte: Ausser dem zurückgetretenen Fabian Schär und Yann Sommer sowie dem verletzten Dan Ndoye setzte er auf die gleiche Anfangsformation wie gegen England im EM-Viertelfinal.

Das sah in der taktisch geprägten ersten Halbzeit recht gut aus, die Schweizer erspielten sich Sicherheit und zeigten, dass sie mit dem Ball bis in die Zone vor dem gegnerischen Tor etwas anzufangen wissen. Gregor Kobel strahlte beim Debüt als Nummer eins Sicherheit aus, er überzeugte in der Spieleröffnung und verhinderte gegen Albert Grönbaek und Kasper Dolberg im Eins-gegen-eins einen Rückstand. Erst beim späten Gegentreffer hatte Kobel das Nachsehen, als er die nahe Torecke zu wenig absicherte. Dennoch sprach Kobel von einem schönen Erlebnis als Schweizer Nummer-eins-Goalie.

Wer soll für die Schweizer die Tore schiessen?

Offensiv brachten die Schweizer hingegen wenig zustande. Nach dem Platzverweis waren sie im Angriff inexistent, Embolo gelang im ganzen Spiel nichts; die einzige Gelegenheit verstolperte er ungeschickt. Lediglich einen Kopfball von Widmer und eine gelungene Aktion Fabian Rieders gab es zu notieren. Die Frage bleibt, wer für die Schweizer die Tore schiessen soll.

Der verletzte Ndoye wurde schmerzlich vermisst, Noah Okafor hat eine Denkpause in Mailand verschrieben bekommen, Zeki Amdouni muss sich nach dem Wechsel zu Benfica Lissabon zuerst durchsetzen. Das Angebot an Offensivkräften ist dünn, und ein Spieler wie Xherdan Shaqiri, der aus heiterem Himmel ein Tor erzielen kann, fehlt ohnehin. Wenn nicht alles zusammenpasst wie an der EM und sozusagen das System die Tore schiesst, wird es schwierig.

Yakin und seine Mannschaft können deshalb nur wenig Positives mitnehmen für die zweite Aufgabe in der Nations League in Genf gegen den Europameister Spanien. Vor allem wird es darum gehen, dass sie den Ärger über einen ungerechtfertigten Platzverweis möglichst rasch verarbeiten – und vergessen.

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