Biels Luca Christen und Berns Mika Henauer haben bisher keine Sekunde gespielt. Ein Transfer ist noch vor dem Saisonende zu erwarten. Dem SCB droht schon wieder der Verlust eines hochkarätigen Talentes.
Wenn je das boshafte Wort «Nullnummer» berechtigt war, dann in diesem Fall. 2 von 113 Verteidigern, die einen Profivertrag haben, fit sind und regelmässig mit der ersten Mannschaft trainieren, haben diese Saison noch keine Sekunde Eiszeit gesehen. Zwei, die das Potenzial haben, um in die «Business-Klasse» der Verteidiger aufzusteigen. Also in die Gehaltsklasse ab 300'000 Franken. Keine Schlosser des Defensivhandwerkes. Sondern Ingenieure, die das Spiel nicht nur zerstören, sondern zu konstruieren verstehen. Auch unter Druck. Im Frühjahr 2019 prägten sie gemeinsam Langenthals SL-Meisterteam: Biels Luca Christen (25) und Berns Mika Henauer (23). Nun sind beide in die Karriere-Sackgasse geraten.
Luca Christen schien alles richtigzumachen. Er wechselte vor einem Jahr von Langenthal zu Biel. Eine Organisation mit «graubärtigen» Titanen in der Defensive. Noah Schneeberger, Beat Forster und Robin Grossmann, alle drei 34 oder älter, Forster sogar schon 39. Beste Aussichten für einen jungen Verteidiger. Erst recht in einer Organisation, die behutsam mit Talenten umgeht.
Der Spieler denkt, der Hockeygott lenkt: Beat Forster, Robin Grossmann und Noah Schneeberger erlebten letzte Saison einen goldenen Karriereherbst. Kommt dazu, dass Noah Delémont die Erwartungen weit übertraf und sich als Bieler Junior zum Publikumsliebling entwickelt hat. Und so musste sich Luca Christen mit 6:05 Minuten Eiszeit in bloss 12 Partien begnügen.
Noah Schneeberger ist inzwischen nach Davos weitergezogen. Aber dafür ist aus Ambri Nationalverteidiger Yanik Burren (26) gekommen. Robin Grossmann, Beat Forster und Noah Delémont rocken auch diese Saison. Die Situation hat sich also nicht verändert. Nun ist Luca Christen in der neuen Saison erst recht eine «Nullnummer» und in der Meisterschaft noch nicht einmal aufs Matchblatt gesetzt worden. Er hat alle drei Partien auf der Tribüne erlebt. Ohne Aussicht auf Besserung.
Die Sportchefs in Ajoie, Langnau oder Ambri würden den Hockeygöttern auf den Knien für einen Verteidiger wie Luca Christen danken. Und die in der Swiss League sowieso. Das weiss Biels Sportchef Martin Steinegger: «Wir haben so ziemlich jeden Tag Anfragen für Luca Christen aus der Swiss League. Ich bin aber der Meinung, dass er in der National League spielen könnte.» Und zeigt Verständnis: «Wir legen ihm keine Steine in den Weg und bieten Hand für einen Leihtransfer. Will er weiterhin mit uns trainieren und auf einen Einsatz warten oder eine Spielgelegenheit bei einem anderen Klub? Die Entscheidung liegt bei ihm.»
Es ist in der Sache also Bewegung zu erwarten. Wobei es gar nicht so einfach ist. Ambris Sportchef Paolo Duca gibt zu bedenken: «Ein Leihtransfer macht nur Sinn, wenn ich für den Spieler eine Rolle im Team habe und wenn er bis Saisonende bleiben kann.» Gleiches gilt für ein ambitioniertes Team in der Swiss League.
Der Vertrag läuft Ende Saison in Biel aus und Luca Christen wird bei einem anderen Team noch einmal eine Chance in der National League bekommen. Aber die Zeit läuft ihm immer mehr davon: Ein weiteres Jahr ohne echte Spielpraxis wird ihn zurückwerfen.
Mika Henauer ist in Bern ebenfalls in die Karriere-Sackgasse geraten. Dabei hing der Hockeyhimmel schon mal voller Geigen: In der Saison 2021/22 kam er auf 19:40 Minuten Eiszeit und 18 Punkte in 46 Partien. Er war beim SCB die Nummer 3 in der Abwehrhierarchie und der beste Verteidiger seiner Altersklasse in der Liga.
Doch dann haben ihn mehrere Schulteroperationen zurückgeworfen. Letzte Saison kam er gerade noch auf sieben Spiele und 10:07 Minuten Eiszeit. Nun ist er wieder fit. Aber die Lichter sind ausgegangen: keine Sekunde Eiszeit in dieser Saison. Eine Partie auf der Tribüne, zwei auf dem besten Sitzplatz im Stadion: auf der Spielerbank.
Dabei hätte der SCB – ganz anders als Biel – durchaus Bedarf an Verteidigern: Gegen Kloten musste Patrik Nemeth 26:55 Minuten Eiszeit schultern und Ramon Untersander 26:26 Minuten. Trainer Jussi Tapola setzte nur sechs Verteidiger ein und nur fünf bekamen mehr als 11 Minuten Eiszeit.
SCB-Sportchef Andrew Ebbet hat in einem ersten Krisengespräch signalisiert, dass über einen leihweisen Transfer diskutiert werden kann. Servettes Sportchef Marc Gautschi sagte kürzlich, ein Video-Gespräch habe mit Mika Henauer bereits stattgefunden. Wie bei Luca Christen ist auch beim Sohn der früheren Slalom-Weltcup-Siegerin Corinne Schmidhauser noch vor Saisonende ein Transfer zu erwarten. Für Luca Christen und Mika Henauer gilt: Jeder Tag ohne Spielpraxis ist ein verlorener Tag. Das beste Training kann Spielpraxis nicht ersetzen.
Dem SCB droht also wieder einmal der Abgang eines in der eigenen Nachwuchsorganisation ausgebildeten Talentes wegen Vernachlässigung: Schon Yanik Burren, Samuel Kreis (er ist diese Saison zum SCB zurückgekehrt), André Heim, Marco Müller, Luca Hischier oder Colin Gerber haben den SCB mangels Perspektiven verlassen.
Der SCB ist zum Erfolg verurteilt und kein Ausbildungsklub. Für die Cheftrainer in Bern gibt es nur die Wahrheit oben auf der Resultattafel. Ausbildungstechnische «Folklore» können sie sich nicht leisten. Maximaler Erfolg bei gleichzeitigem Einbau und Ausbilden junger Spieler ist eine Quadratur des Kreises.
Es gibt allerdings eine Ausnahme. Während der Saison 2007/08 setzt SCB-Trainer John van Boxmeer einen 18-jährigen Junior regelmässig in der Verteidigung ein. Auch in den Playoffs. Zwei Jahre später ist der noch nicht einmal 20-Jährige in den Playoffs im Meisterteam von Larry Huras überragend (15 Spiele/13 Punkte). Sein Name: Roman Josi.
Mika Henauer wird nicht der nächste Roman Josi. Einsetzen könnte ihn Jussi Tapola trotzdem.
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